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Arnold Beer

Arnold Beer

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Arnold Beer by Max Brod

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Chapter 1 No.1

Arnold Beer war ein hübscher junger Mann, nicht einmal sehr elegant, aber da er in der Stadt h?ufig mit den elegantesten Leuten zusammen – überdies auch oft mit anderen – angetroffen wurde, nannte man ihn den Eleganten. ?Aha, da kommt das Gigerl?, – oder ?Die Parta ist da. Ich erkl?re den Bummel für er?ffnet?, hie? es am Abend auf dem Korso, wenn in den Reihen der gewohnten Spazierg?nger und Nichtstuer Arnold samt seiner Freundschaft erschien; denn schon hatte man hier und dort begonnen, sein unnützes Treiben mit einigem Mi?wollen zu beobachten.

– Was überdies seine Eleganz anbelangt, so irrten die Leute ganz entschieden. N?her betrachtet, bestand Arnolds so effektvolle Kleidung durchaus nicht aus den tadellosesten Stücken, war vielmehr h?ufig betupft mit einzelnen gro?en und mit vielen kleinen Flecken und Tropfen, manchmal auch leicht angerissen und zerfasert, der Strohhut vom Regen mattbraun überflossen und weichgedrückt, die Stiefel ohne den rechten Glanz. Alle diese Fehler erschienen nun freilich niemals beisammen, sondern sie führten ein einsames Dasein, jeder für sich und an einem andern Tag, konnten aber dem aufmerksamen Beobachter auch in dieser gleichsam fluchtartigen Abwechslung nicht entgehen. übrigens war Arnold selbst der letzte, der sich den merkwürdigen und komischen Einzelheiten seines Anzugs verschlossen h?tte; im Gegenteil, er pflegte laut und ungeniert, vor Damen und Herren, auf solche gelegentliche Sch?nheitsm?ngel hinzuweisen und sich selbst auszulachen, um desto sicherer alle, die über ihn erschraken, auslachen zu k?nnen. Er nannte sich – denn er hielt für alles Worte bereit und hatte besonders über seine so fragwürdige Wesensart schon oft und unter Schmerzen nachgegrübelt – ?eine typische Fernwirkung? und hob hervor, da? er diese ?gute Sache? seiner schlanken Gestalt, seinem vorzüglichen blassen Teint und seinen feinen H?nden verdanke, lauter Dingen, ?für die er natürlich gar nichts k?nne?, wie er in einem Anflug pessimistischer und unklarer Philosophie hinzuzusetzen pflegte. Dann versank er, noch anschlie?end, über das Thema ?Kleider machen Leute? in ausgedehnte trübe Betrachtungen. ?Ja, meine Eltern haben das Geld dazu, mein Papa ist eine gute alte Firma. Also gelange ich, wie von selbst, an den ersten Schneider der Stadt, und der macht mir R?cke und Hosen, ohne da? ich ihn darum bitten mu?, ja bitten darf, aus den teuersten Stoffen und nach den neuesten Schnitten. Kann ich dafür, nun bekommt sogleich mein Anblick einen reizenden Schwung und Schmi?, ohne mein Mitarbeiten, und ich biege ein in eine Richtung des Angeschautwerdens und sogar des Michselbstfühlens von innen her, die mir gar nicht so besonders pa?t. Wie machtlos ist man dagegen. Schlie?lich würde mir ja diese Richtung auch passen, warum nicht, h?tte ich nur Zeit dazu. Aber wie kann ich mich mit solchen Kleinigkeiten abgeben! Es geht einfach nicht. St?rker wie L?schpapier bin ich eben nicht. Und daher auch meine schlechte primitive Frisur, meine ungepflegten N?gel, meine Schnalle nur am Schuh links und nicht auch rechts.? Er pflegte sich die Haare zu scheiteln, aber aus Unlust, die richtige Teilungsstelle zu suchen, wurde oft, wenn der erste Hieb mi?lang, nur ein Gestrüpp h?ngender Str?hnen aus den sch?nen Wellen.

Derselbe ?u?ere Schwung nun, den er mit einiger Selbstgeh?ssigkeit an seinen Kleidern bemerkt hatte, wallte durch seine ganze Person und mit so gewaltigem unwiderstehlichem Antrieb, da? er nach allen Seiten hin sein Schicksal aufbauschte, aber auch begrenzte. – Arnold war eine überaus lebhafte Natur. Schon in der Volksschule hatten alle Lehrer darüber geklagt, da? er ?kein Sitzfleisch? habe, und einige hatten sp?ter, bei aller Anerkennung seiner Intelligenz, durch mindere Noten ihn für sein überma? an Temperament strafen zu müssen geglaubt. Er antwortete auf Fragen, die niemand an ihn gerichtet hatte; er schrie pl?tzlich laut auf, rannte aus der Bank und aus der Klasse hinaus, weil er drau?en einen so komischen gro?en Schmetterling gesehn hatte, der sich sp?ter als eine langsam aus dem dritten Stock herabflatternde alte Kravatte erweisen mu?te. – Einmal rief ihn der Lehrer zum Weiterlesen auf; ?Bitte, die übung ist hier zu Ende? meldete mit hoher Stimme der Kleine, statt in dem gew?hnlichen dumpfen Tonfall der Schüler fortzuspinnen. Da bekam er seine erste Strafe. ?Ich soll nicht vorlaut sein?, zehnmal abzuschreiben. Seine Lebhaftigkeit und Naseweisheit hatten ihn n?mlich schon in der ganzen Schule so berühmt gemacht, da? man immer geneigt war, in seinem Benehmen einen kleinen Unfug zu sehn, auch wenn, wie in diesem Fall, gar nichts daran war. Denn die übung war wirklich zu Ende, und obwohl die n?chste übung ja in unmittelbarem Zusammenhang mit der eben gelesenen anschlo?, w?re wohl auch ein anderer Schüler geneigt und vielleicht kouragiert genug gewesen, mit dem Herrn Lehrer sich in einen n?heren, gleichsam kameradschaftlichen Zusammenhang durch eine solche h?fliche Frage nach dessen weiterer Absicht zu setzen statt mechanisch einfach die leere Zeile zu überspringen und sich im Text als armseliger Lernknabe fortzuhaspeln. Einen Pfiffigen gar wie Arnold mu?te die Situation reizen, und es soll nicht verschwiegen werden, da? er sich schon oft genug mit aller Sehnsucht in sie hineingewünscht hatte, als in die einzige, wo er einmal dem hochverehrten Herrn Lehrer ebenbürtig, sozusagen als Mensch, gegenübertreten k?nnte, da? er oft im voraus die Zeilen abzuz?hlen pflegte, um herauszubringen, ob diesmal, nach der Sitzordnung, bei der entscheidenden übergangsstelle die Reihe an ihn kommen würde. Und nun war der Moment da und Arnold hatte mit Anstand und stolzer Gefa?theit, vollkommen richtig, seine oft vorbereiteten Worte herausgesungen, hatte sich ausgezeichnet ... mit diesem traurigen Erfolg leider. Er weinte die ganze Stunde lang, denn er war sehr ehrgeizig. Und als die liebe Mama sorgf?ltig um elf Uhr ihn abholen kam und ihm das Schult?schchen abnahm, weinte er wieder, kaum beruhigt, und erz?hlte alles. Nun mu?te er gar noch in das sch?ne verehrte Papiergesch?ft eintreten, wo er sonst nur die ausgestellten ?Münchener Bilderbogen? sich anzuschaun pflegte, zufrieden und heiter nach der Schult?tigkeit, oder zaghaft die imponierenden Schatzhaufen verschiedenartiger Klaps-, Glocken-, Kuhn-, und Aluminiumfedern, mu?te eintreten und um einen Bogen liniierten Papiers kaufend bitten. Schon dieser Umstand, da? er einen einzelnen gottverlassenen losen Bogen kaufen mu?te statt wie sonst ein ordentliches Heft zum ehrenvollen Vollschreiben, schien ihm so sehr schlampig, heruntergekommen und Sache eines schlechten Schülers, da? er sich sch?mte, – und als ihn gar noch der Kommis mit irgend einer gleichgiltigen Frage nach der Zeilenbreite beunruhigte, brach er aufs neue in Tr?nen aus und erkl?rte heulend: ?Es ist für eine Strafe.? Er weinte so bitterlich, da? alle im Gesch?ft stockten und auf den Knirps hinsahn. Zwei in Schwarz gekleidete Damen traten n?her und, tief zu ihm herabgebeugt, begannen sie, ihm zuzusprechen. Er aber hielt die H?ndchen in F?usten vor den Augen, so da? er nichts sah und auch gar keine Anstalten machte, zu zahlen und den Laden wieder zu verlassen. Sondern rücksichtslos und ohne Verlegenheit ergab er sich seiner Reue und seinem tiefen Schmerze, bis die Mutter, der das lange Ausbleiben drau?en verd?chtig wurde, hereinkam und ihr Kind, dem sich inzwischen das allgemeine Mitleid der Angestellten und Kunden, der Kassiererin, des Gesch?ftsinhabers sogar zugewendet hatte, energisch herausholte.

Natürlich konnten Strafen und schlechte Klassen dieser Lust des lebendigen Gemüts wenig anhaben. In der Schule lernte er allm?hlich die kalte Ordnung respektieren, nun warf er sich aber auf Eltern und Verwandte. Der Vater mu?te ihm schon Ohrfeigen androhn, um sein ewig erregtes ?Papa, schau ...? auf den Spazierg?ngen zum Schweigen zu bringen. Niemand wollte mit ihm ausgehn, denn er war gefürchtet wegen seiner unaufh?rlichen bohrenden Fragen, die sich mit keinerlei Ausweichen abstellen lie?en. Eine Gouvernante nahm ausdrücklich deshalb ihren Abschied. Und noch in sp?teren Jahren pflegte ihn Frau Direktor Wahlberg, mit der seine Eltern verkehrten, mit einem seiner Aussprüche zu necken: ?Tante, bitte, erkl?re mir, ist der Mond ein Fixstern oder ein Planet?, das hatte er in gro?er ?ffentlicher Prachtgesellschaft ihrer damenhaften Gl?tte zugemutet.

Es kam eine Zeit, in der er von den Menschen, die seinen rei?enden und dabei so liebevollen Ansturm nicht aushalten mochten, sich abwandte und nichts tat als stille vertrauliche Bücher lesen. Nachmittags auf dem Sopha, wenn er aus der Schule kam; nicht liegend, nicht sitzend, sondern zusammengekauert, den ganzen K?rper zwischen Polster und Lehne gedr?ngt, w?hrend das Buch frei auf dem Sopha lag – so ruhte seine Wange über den beiden verschr?nkten Armen, und nur wenn er umbl?ttern mu?te, langte er unter Verrenkungen eine Hand aus dem Kn?uel hervor ... sonst rührte er das Buch nicht an, er hatte es gern in einiger Entfernung von sich, selbstst?ndig wie ein lebendiges Wesen, mit dem man sich unterredete, vom Polster her blickte es ihn an, gab seine schr?gen tiefen Blicke atmend zurück. Und er las so ziemlich alles, was sein angebeteter Vater, ein in jüngeren Jahren kunstbeflissener Mann, im Bücherkasten hatte. Dieser Kasten war versperrt. Arnold mu?te jeden Mittag, in der knappen Zeit zwischen der Beendigung der Mahlzeit und dem Mittagsschl?fchen des Vaters, sein Anliegen vorbringen, um dieses oder jenes Buch: ?Papa, gib mir heraus ...? Dann wurde der r?tselhafte Kasten mit den undurchsichtigen Scheiben ge?ffnet, und nur in diesem Augenblick durfte der Sohn die Verlockung all dieser mannigfachen Goldrücken empfinden und, schnell einige Titel überfliegend, bei sich die Bücher feststellen, die er die n?chsten Male herausverlangen wollte. Niemals wurde ihm erlaubt, einer seltsamen Pedanterie des Vaters zufolge, alle Bücher der Reihe nach durchzusehen und in Ruhe auszuw?hlen. Niemals wurde ihm auch mehr als ein Buch geborgt. Und so rasch ging der Vater dabei vor, milit?risch mit Wunsch und Ausführung, Hinzeigen und Herausnehmen, da? manchmal ein Fingerlein oder die Nase des in all die Pracht versunkenen Knaben Gefahr lief, an der Kante der wieder zuklappenden Türe eingeklemmt zu werden. Allm?hlich kam er daher auf Listen; er sagte um ?Kleist? und zeigte dabei auf die oberste Reihe, obwohl er gut wu?te, da? die Kleist-B?nde rechts unten aufmarschiert waren. Aber in der Zwischenzeit, w?hrend der Vater vergeblich oben kramte, hatte er Zeit, einen überblick über andere nie gesehene Partien des gro?en Büchergartens zu erwischen. Oft allerdings nützte alles nichts, und er sah sich mit einem Buch, das er nur des fremden Titels oder des hübschen Einbandes wegen gew?hlt hatte und das ihn bei n?herem Durchbl?ttern gar nicht interessierte, entt?uscht und leer vor den wieder gesperrten Kasten gestellt, in einen steinigen leeren Nachmittag verschlagen wie ein Schiffbrüchiger auf eine ?de Insel, wo der ersten Freude des Gerettetseins eine umfassendere Angst vor der Zukunft folgen mu?. Denn niemals nahm der Papa ein schon herausgegebenes Buch noch an demselben Tag zurück, das war eherne Regel ... Im Verlauf der Zeit nun las Arnold alles, von der Bibel und Goethe an bis zu dicken staubigen Lieferungsromanen wie ?Die Geheimnisse der Bastille?, die noch uneingebunden in den untersten Schubl?den lagen. Sein Kopf füllte sich mit den Gestalten Schillers und Heines, mit den Kreuzfahrern und Schillschen Offizieren der Weltgeschichte, mit Lokomotiven aller Konstruktionen aus einer vielb?ndigen ?Geschichte der Erfindungen und Industrien?, mit den J?gergeschichten und rührenden Affen-Szenen der Gefangenschaft aus ?Brehms Tierleben?. Und nur eines hatte ihm der Vater verboten, in den Shakespeareb?nden den Othello. Arnold befolgte auch getreu diese Absperrung, ?ngstlich wich er dem Stück aus, obwohl seine Neugierde aufs h?chste erregt war und niemand ihn überwachte, und nur die Vorrede mit der Inhaltsangabe las er einmal doch, indem er sich sagte, da? die ja nicht eigentlich zu dem gebannten Stück geh?re. Welch ein Geheimnis, diese überbl?tterten und stets wie mit Leim zusammengehaltenen Seiten hie und da, wie durch Zufall, aufzuschlagen, vom Wind aufbl?ttern zu lassen, unbeachtet ein Wort, einen Satz aus dem Zusammenhang zu packen, eine Abbildung vorbeitr?umen zu sehn, niemals aber dem lieben strengen Vater durch wirkliches Lesen der Reihe nach ungehorsam zu werden. Wie peinigte das sein pochendes Herz!... überdies hatte der Vater dieses Verbot nur einmal und nur beil?ufig fallen lassen, nie mehr wiederholt, vielleicht selbst nicht so wichtig genommen und l?ngst vergessen. Und als Arnold, zu Jahren gekommen, sp?ter einmal diesen fürchterlichen ?Othello? durchnahm, fand er zwar gleich in der ersten Szene eine obsz?ne Phrase, im Ganzen aber nichts, was dieses Stück vor den vielen, die er lesen gedurft hatte, ausgezeichnet h?tte. Derartige Phrasen hatte er ja als Kind zu hunderten unverstanden eingeschluckt. Und so blieb ihm dieses Verbot seiner Kinderjahre weiterhin ein Geheimnis, über das er seinen Vater aus Respekt auch nachmals nicht weiter auszuforschen sich getraute.

Indessen kam der Hausarzt einmal, anl??lich einer Masernerkrankung – man mu?te dem Kerlchen mit den verklebten Augen unermüdlich von früh an bis in die sp?te Nacht vorlesen – auf Arnolds überreichen Bücherkonsum. ?Ihr Junge ist mit achtzehn Jahren ein Idiot?, schrie er die t?dlich erschrockene Mutter an, und von nun an war es mit der Lektüre zu Ende. Furchtsam wachte die Mutter darüber, da? Arnold keine Zeile mehr au?er den Schulaufgaben zur Hand nahm. Auf vielfaches Jammern und als sich die Folgen der Langweile in seiner gesteigerten Wildheit zu zeigen begannen (er stach der K?chin mit ihrer Hutnadel den Daumen durch), wurde ihm endlich jeder dritte Tag als Lesetag einger?umt ... Arnold erinnerte sich überdies sp?ter oft mit Vergnügen daran, wie gro?en Eindruck der Schrei des erzürnten Arztes auf ihn gemacht hatte. Bis zu seinem achtzehnten Jahre erwartete er allen Ernstes mit Grausen t?glich das Eintreten der prophezeiten Verbl?dung, erst nachher fiel es ihm pl?tzlich als Erl?sung ein, da? der Arzt vielleicht nur in einer Metapher geredet hatte. Ja, als Kind pflegte er eben Aussprüche ?lterer Leute unausl?schlich ernst zu nehmen ...

Die Lesewut machte zu Beginn des Gymnasiums einer unb?ndigen Sammelfreude Platz. Arnold besa? bald, wie ein Onkel sich ausdrückte, eine ?Sammlung von Sammlungen?, er hob alte Tramwayzettel auf, flehte alle Abreisenden an, ihn in fremden St?dten auf Zahnradbahnen und Elektrischen ja nicht zu vergessen, ferner ordnete er in Schachteln und Kistchen abgesondert: Kn?pfe, alle Arten von Zündholzschachteln, Zigarrenbinden, Ansichtskarten mit und ohne Marke auf der Bildseite, Bleistifte, Autogramme, Münzen, Vereinsmarken, Siegelabdrücke, Mineralien, hinter Glas spannte er Schmetterlinge und K?fer auf, in Mappen hatte er bald mehrere Tausende von Bildern, aus alten Zeitschriften ausgeschnitten und sauber auf dünne Pappendeckel aufgeklebt. Er brannte um diese Zeit auf derartige alte B?nde der ?Gartenlaube?, der ?Guten Stunde?, und unzerschnitten schienen ihm diese Hefte ihren wahren Zweck vollst?ndig verfehlt zu haben, so da? ihm bei ihrem Anblick und wenn er sie nicht in seine Sph?re ziehen konnte, das Herz zerbrach. – Wie alles, betrieb er solchen Sport mit dem ganzen Eifer seiner ganzen Natur, und wenig fruchtete da die stereotype Warnung des Vaters: ?Arnold, du übertreibst alles.? Dem Kinde, das zwei oder drei Sachen derselben Art beisammen sah, lag nichts n?her als der Gedanke, solcher Dinge noch mehr auf einen Haufen oder in sch?ne Reihen zusammenzukriegen, und namentlich best?rkte ihn in diesem immer neu wiederholten und dadurch schon ganz gel?ufigen schnellen Gedankengang die Beobachtung, da? es ja so leicht war, eine Sammlung irgendwelcher Manier anzufangen, ja, da? eigentlich die Sammlungen schon um ihn herumlagen, nur freilich noch unentdeckt, ungeordnet, daher unwirksam. Es bedurfte aber jedenfalls keiner sch?pferischen T?tigkeit, keines Hervorstampfens. Er mu?te nur, wenn er beispielshalber auf die Idee gekommen war, Stahlfedern zu sammeln, seine alte Liebe, zuerst einmal seine Pennale ausleeren. Da lagen sie ja schon beisammen, halbverbraucht, aber immer noch Muster ihrer Art, er brauchte nur die besten herauszuklauben. Dann ging es über die Vorr?te des Vaters im Comptoir her, wo die seltenen gro?en Stücke, wie Kolumbusfedern, oder die komisch verkrümmten Soennecken oder die zierlich-spitzen Stenographiefedern, die fast wie Nadeln aussahen, eiligst zusammengerafft wurden. Und mit dem Taschengeld, das ihm zum Ankauf von Schreibzeug übergeben wurde, ging nur eine kleine Verschiebung vor, er kaufte, statt wie bisher gedankenlos Federn immer derselben Art, m?glichst verschiedenartige und exotische, natürlich nicht zum Schreiben, sondern zum Aufheben, w?hrend zum Schreiben m?glichst lange derselbe Invalide herhielt. So rückte die Sammlung feurig vorw?rts, es war gar keine Unm?glichkeit, tausend Stück zusammenzubekommmen oder die gr??te Sammlung von Europa überhaupt, es galt nur die richtigen Stege und Zuflüsse zu graben, durch rein geistige überlegungen, denn der Rohstoff war ja vorhanden. Nur ihn gescheit in die Grube zu leiten, das war das Problem, ihn nicht unnütz an den Seiten abrinnen zu lassen. So hatte er beim Sammeln das Gefühl, nicht nur sich durch nützliche T?tigkeit auszuzeichnen, sondern auch irgendwie der ganzen Welt zu dienen – und übersah er dann an einem der ersten Abende, da alle Quellen noch munter der neuen Sammlung zuflossen, seinen sauber geschlichteten Reichtum, so überfiel ihn ein beinahe schwindelndes Glück von Gr??e, Sch?nheit und Triumph, und der Wunsch, mit dem er einschlief, die Sammlung m?ge so weiter und weiter gedeihn, war um nichts weniger innig als das Nachtgebet ... Freilich nahm sein Interesse bald ab, wenn in seiner N?he keine neuen H?hlen mehr zu sprengen waren, in denen schon gro?e Haufen der gewünschten Dinge wie vorbereitet dalagen und auf ihn warteten; wenn es galt, nun ein Stück ums andere mühsam heranzulocken. Dann wurde die Sammlung aus den Kasten ins Dunkle gestellt, halb vergessen, eine andere trat mit neuen Hoffnungen ans Licht. So ging es zwei Jahre lang, bis endlich sein Streben an einer Briefmarkensammlung h?ngen blieb und sich gewitterwolken?hnlich verdichtete, da hier nebst dem Reiz der Ausdehnung und Vollst?ndigkeit nun auch der des nicht mehr blo? kindischen Wertes in Aussicht gestellt wurde. Nun begann er in den Zehnuhrpausen zu ?tauschen?, nicht ohne Streit und Schwindel, nun wu?te er bald alle Wasserzeichen, Fehldrucke, Zahnungsunterschiede und Farbennüancen auswendig, niemand kam ihm darin gleich, ja sein stürmisches Interesse für alles, was mit Marken zusammenhing, ging so weit, da? er sogar den Fl?cheninhalt, die Hauptstadt und die Münzsorten jedes Landes wie dies in seinem Album angegeben war, schnell und genau erlernte. Mit seinem ?Senf? in der Tasche, den er stets sorgf?ltig nach der neuesten Ausgabe korrigiert hatte, galt er unter den Kollegen als Autorit?t, wurde in schwierigen F?llen befragt und entschied unwidersprochen. Und nur etwas unterschied ihn von einem kühlen Fachmann: w?hrend er die verlockendsten Stücke fremder Sammlungen nachsichtslos, von ?ngstlichen Blicken ungerührt, als ?falsch? oder ?Neudruck? verurteilte, konnte er selbst sich von den F?lschungen, die ihm geh?rten und die er als solche l?ngst erkannt hatte, in einer seltsamen grundlosen Z?rtlichkeit nicht trennen. Er glich da dem glühenden Liebhaber, der seine Leidenschaft nicht bezwingen kann, obwohl er die triftigsten Gründe hat, von dem Unwert des geliebten Gegenstandes überzeugt zu sein. So besa? Arnold, beispielsweise, eine alte Schweiz ?mit der sitzenden Helvetia? – nachgemacht, ganz plump nachgemacht. ?Ich wei? ja, da? sie falsch ist? pflegte er zu sagen und sah die Marke mit stillverliebten, unendlich traurigen Blicken an, ?aber ich la? sie doch drin, sie schadet ja doch nichts?, w?hrend er einen Kameraden in gleichem Fall unfehlbar mit den Worten: ?So ein Stück ist eine Schmach für jedes anst?ndige Album? ausgescholten h?tte ... Ja es gab sogar Zeiten, allerdings nur zu Anfang der Markenperiode, in denen Arnold selbst f?lschte, sich selbst betrog, indem er aus einem alten Album einfach die vorgedruckten Markenbilder, sofern sie mit ?grau? oder ?schwarz? bezeichnet waren, ausschnitt und als wirkliche Marken in sein Album einklebte. Davon lie? er bald, konnte aber von den einmal gewonnenen Exemplaren auch in der Folge nicht Abschied nehmen, in einer ganz unbestimmten, sinnlosen Hoffnung, wie sie eben den Ekstatiker auszeichnet: diese Scheinmarken k?nnten eines Tages doch vielleicht, wie durch ein alchymistisches Wunder, in echte und allgemein anerkennenswerte verwandelt werden. Ebensowenig mochte er sich entschlie?en, beschmutzte oder l?dierte Stücke auszuscheiden. ?Sie fehlt mir ja gerade zum Satz,? dieses Zauberwort hielt ihn fest. O welche Freude war das, welcher Anblick konnte sch?ner sein als der einer Albumseite, deren vorgezeichnete Reihen –, manche sind l?nger, manche kürzer, mancher seltsame ?Satz? besteht nur aus zwei oder drei Stück – komplett mit Marken besteckt waren; ?komplett?, das war das Wort, das er mit scheinbarer Flüchtigkeit, mit leichter stolzer Handbewegung dem Kollegen zurief, vor dem er eben die Sammlung durchbl?tterte, ?Belgien komplett?, o wie das klang! Und dabei wurde schon umgebl?ttert, mit selbstverst?ndlichem Besitzergleichmut, w?hrend des andern Augen bewundernd umherschossen; da flatterten wie kleine bunte Regenbogenwimpel die Marken, jede sauber gewaschen, jede von ihrem geknickten Spannleisten lustig getragen. Manchmal blies Arnold unter eine Reihe, um die Wasserzeichen, Netz oder Posthorn, Gummierungsfeinheiten oder die Stampiglie ?Geprüft? einer gro?en Firma zu zeigen – dann drückte er sanft wieder mit weichen Fingerballen die kostbaren Papierchen nieder. Sie waren leuchtend wie sein Ehrgeiz, vielf?ltig wie seine Tr?ume, leicht erregbar in ihren Reihen wie sein junges Gemüt. Seinen einzigen Schatz machten sie aus, beinahe seine Religion. Markensammler zu sein schien ihm, wenn er sich selbst ernstlich bewertete, seine beste Eigenschaft und jeden Burschen, den er kennen lernte, fragte er sofort: ?Was ist mit dir? Sammelst du?? ... An langen Nachmittagen grübelte er über Auswahlsendungen nach, verglich die Vorteile und Preise der heimatlichen Markenh?ndler, studierte Katalog oder Sammlerzeitung, oder er lie? leise Glücksschauer über seinen Kopf kr?useln, indem er sich einbildete, er k?me durch Zufall, Fund oder glücklichen Tausch, zu den gepriesenen Glanzstücken der Philatelisten, Mecklenburg oder Bergedorf, Mauritius, Kirchenstaat, alte Sachsen. Für die kleinen verschollenen Staaten, deren Marken in seinem Album s?mtlich den hochzuverehrenden Vermerk R oder GR trugen, was ?Rarit?t? oder ?Gro?e Rarit?t? bedeutete, hegte er eine schw?rmerische Verehrung, die sich auf ihre l?ngstverstorbenen Regenten und Tyrannen, auf ihre ganze Historie ausdehnte. Schon vor S, das ist: Seltenheiten, erzitterte er in Glücksfieber. Denn seine Sammlung war ja leider, trotz aller Anspannungen und theoretischen Kenntnisse, nur klein ... Allm?hlich erweiterte er sie, übertrug sie, nach Art gro?er Sammler, aus dem festen Album auf lose Pappendeckelbl?tter, gab dann hochmütig die ?Ganzsachen? und alle au?ereurop?ischen L?nder auf. Nur Europa sammeln, das war die Devise eines soliden vornehmen Kenners; diese exotischen Gschnasstückerl sind ja nur sch?n fürs Auge, nichts wert. Mit wachsendem Taschengeld stiegen seine Ank?ufe und so blieben die Marken, zu Zeiten vergessen, dann wieder einmal hervorgeholt und gestreichelt, immer aber wohlbehütet, seine liebste Spielerei bis in die Mannesjahre hinein.

Diese Sammlung führte ihn auf dem Wege des Verkehrs und der allgemeinen Sch?tzungen wieder zu den Kameraden zurück, denen er eine Zeit lang eigensinnig ausgewichen war. Gegen das Obergymnasium hin wurde er wieder kollegialer und bald entwickelte sich als erste Frucht dieses menschlichen Umgangs eine neue Eigenschaft aufs h?chste in ihm ... die unbez?hmbare Schwatzhaftigkeit. Es war, als müsse er für jahrelanges stilles Vorsichhinspielen auf einmal sich entsch?digen. Angepfropft mit Zitaten, mit Bücherereignissen, wie er war, begann er zun?chst in den Pausen, auf den Korridoren vor den Kollegen lange Reden zu führen, in denen keiner ihn unterbrechen konnte, denn er hatte die lauteste müheloseste Stimme, die selbst, wenn er gemütlich sprach, zu zanken und zu drohn schien. Man h?rte ihm in einer Mischung von Spott und Bewunderung zu, wenn er einen Professor mit Don Quixote und die andern mit den Pickwickiern spa?haft verglich. So gezierte ausgew?hlte Scherze klangen allen ungewohnt, ja unbehaglich; da er aber in seinem Eifer die frostige Wirkung, die er hervorbrachte, selbst nicht zu bemerken schien, vielmehr immer in derselben Richtung sich steigerte, sich überbot, berauscht von eigenem Beifall immer freundliche Zurufe der andern um sich zu h?ren glaubte und so sich noch mehr erhitzte, begann er zu imponieren. Jedenfalls bereicherte er den seit langer Zeit festgewordenen Gespr?chsstoff, brachte ein paar neue Redensarten auf. Man ahmte ihn nach, eine Partei bildete sich um ihn. Einige begleiteten ihn t?glich nach Hause. Auf offener Stra?e nun entfaltete sich seine neue Kunst, denn anders als in den ?den glatten G?ngen gab es hier tausend Dinge, an die er seine effektvollen Betrachtungen anknüpfen konnte. Von der Tramway kam er auf Elektrizit?t zu sprechen, brachte verworrenes Zeug vor, das er sich selbst nach wenigen Andeutungen seiner Erfahrung zurechtgemacht hatte und von dem die andern nur wu?ten, da? sie ?das noch nicht genommen hatten.? Wie erbebte er vor Entzücken, wenn ihn nun einer seiner Anh?nger um Erkl?rung einer Sache bat, wie begann er gleich mit sanftem Anstand, ernsthaft, auch wenn er gar nichts wu?te, zu erkl?ren. ?Das ist a sehr einfach? waren immer die ersten Worte. Allen Ernstes glaubte er, da? es nur eines recht guten innigen Drauflossprechens bedürfte, um alle Dinge der Welt klar zu machen. Und wenn er es dann nur aushielt, recht lange bei dieser einen Sache zu bleiben, recht ausführlich und immer verwickelter über sie zu reden, meinte er, seine Aufgabe aufs beste vollführt zu haben. Er glaubte n?mlich, auch in den sogenannten wissenschaftlichen Büchern einigemal bemerkt zu haben, da? das Erkl?ren nur in einem recht langen, mannigfachen und undurchsichtigen Brei bestehe, den man um die Dinge gie?e, und diese Regel bewahrte er als ein Schlauer, der nun dahintergekommen war und der sich von dem allgemeinen Vorgeben nicht mehr t?uschen lie?, wohl im Ged?chtnis. Wenn er aber an seine Kindheit zurückdachte und an die Mühe, die seine Erzieher angeblich mit seiner Wi?begierde gehabt, so lachte er sie noch nachtr?glich aus. Was für Kunststücke! Nur ein wenig Geistesgewandtheit geh?rte dazu und man hatte die ganze Welt in der Hand, wie ein Ausleger die Bibel. – So moralisierte er auch nicht schlecht, hatte Gedanken über den Staat, über Religion, Gott, Theater, Mode, gute und b?se Menschen. Darin vornehmlich war er Meister: wenn er ein Sprichwort irgendwo oder einen Satz aufgegabelt hatte, diesen zum Motto langer Er?rterungen zu nehmen, best?ndig in neuer und überraschender Form zu wiederholen, hin- und herzuschrauben, so da? ohne viel inneres Wissen ein verwunderliches farbenreiches Get?n und Hohlwerk aus gro?artigen Worten entstand. – Widersprach ihm jemand, so kam ihm das gerade recht, denn nun konnte er gar erst mit aller Kraft losbrechen, an die fremden Worte wie an K?hne sich anklammern und sich von ihnen durch das Wasser obenauf mitschleppen lassen. Ganz naiv munterte er auch manchmal solche, die ihm dazu geeignet schienen, auf: ?Du, komm, debattier ein bi?l mit mir.? Und das war ein Herumirren in den Stra?en, ein Begleiten hin und zurück, die Gasse hinunter und nochmals hinauf bis zur Ecke, ehe er nach so einem Schulweg endlich zu Hause anlangte. Gew?hnlich war es eine ganze Gruppe von Burschen, jeder seinen Pack Bücher lose unter dem Arm (denn Riemen oder gar Schutzleder waren als unm?nnlich und schülerhaft l?ngst verworfen), Arnold immer in der Mitte, neben ihm die Bevorzugten, die auch schon etwas verstanden, und an den Seiten unbedeutende Flügelm?nner, die sich abwechselnd immer wieder bis zum Zentrum der Gruppe durchzuquetschen suchten, immer um die Mittleren mit unbeachteten Fragen und unbegehrten Antworten herumtanzten und immer wieder, wie nach einem Naturgesetz, an die kühlen ?u?eren Enden der Reihe gedr?ngt wurden, wo sie gelangweilt mitstolperten. Vor dem Haus sammelte Arnold nochmals alle um sich, gab gleichsam die Parole aus, irgend eine Schlu?pointe, aus dem allgemeinen Lachen aber gerieten die Zurückgelassenen, sobald Arnolds Licht verschwunden war, schnell in die gewohnte Balgerei; ?wo bist du wieder so lange gewesen?? empfingen indessen oben den Helden die besorgten Eltern. – Nicht zufrieden mit diesen Heimschlendereien ging Arnold bald dazu über, die Freunde zu sich zu laden, am liebsten gleich rottenweise, erzürnte die sparsame Mutter mit seinen ewigen Kaffee- und Kuchenbestellungen und gab ihr, da er nicht immer die Saubersten sich aussuchte, Anla? zu h?ufiger Wiederholung ihrer beliebten Gru?formel: ?Guten Tag. Bitte, putzen Sie sich die Stiefel ordentlich ab, aber ordentlich!? Er gründete einen Lesezirkel für die ?Intelligenz der Klasse?, der sich im Sommer als Fu?ballklub fortsetzen sollte; denn Stubenhocker wollten sie ja nicht sein. Da er um diese Zeit mit einigen Genossen das Schachbuch von Dufresne studierte, war man auch von einem Schachklub nicht mehr weit entfernt ... Aber auch sonst noch, auf den Gassen, hielt er die Kollegen fest, führte sie mit sich oder schlo? sich an ihre Besorgungswege an, oft auch setzte er sie in Verlegenheit, indem er aus einer Quergasse wie aus einem Hinterhalt hervorstürzte: ?Da bin ich. Jetzt aber la? ich dich nicht los, ob du willst oder nicht willst. Jetzt bist du mein.? Und z?rtlich eingeh?ngt überstr?mte er den Zuh?rer mit seinen neuesten rhetorischen Eingebungen. Da half kein Abschied, keine Eile, kein Zugvers?umen. Denn es galt ja auch allgemein als interessant, ihm zuzuh?ren, und nur ungern und l?ssig wurden h?here Pflichten gegen ihn geltend gemacht. Bis ins Tor der H?user, bis an die Wohnungstür vor die Glocke folgte er den Geduckten, geschmeichelt Gepeinigten, eifrig redend, nach und es hatte gar nicht den Anschein, als sei er der Spender und gie?e aus seinem Innern etwas in den Krug des andern aus; sondern so war es, als spende der andere, als hinge Arnold mit den Lippen saugend an dem Zuh?rer wie an einem Gef?? mit sü?em Wein, das man von ihm wegziehn wolle und dem er deshalb in Abh?ngigkeit, immer saugend, nachfolgen müsse. Rufend entfernte er sich um einen Schritt, machte aber pl?tzlich noch einmal einen zwei Schritte langen Sprung nach vorn, um aus dem Mann an der Türklinke noch das Anh?ren von sieben oder acht S?tzen auszupressen.

Es konnte nicht fehlen, da? ein Jüngling solcher Vorzüge bald auch echte Freunde an sich zog, nebst dem Schwarm geringerer Mitl?ufer. Der erste, der sich n?her ihm zugesellte, war Philipp Eisig und dieser Seelenbund blieb fest durch viele Altersstufen hindurch, obwohl er nur dem kleinen Zufall das Entstehen verdankte, da? die Eisigsche Familie eines sch?nen Tages übersiedelt war und nun dem Hause Beer gerade gegenüber wohnte. Jetzt war ein st?ndiger Gef?hrte für die Heimwege gefunden – und das genügte als Grundstein einer so langen und folgenreichen Freundschaft, wie sich überhaupt Arnolds Beziehungen oft durch ganz geringe Fügungen und gleichsam ohne seinen Willen anknüpften, in aller Hast. Arnold stürzte sich nun gleich mit wahrer Glut in das neue Gefühl, seine Redestr?me bekamen einen Inhalt, zum erstenmal ein heimliches inneres Zittern zu ihrem glatten ?u?eren Schimmer, enthusiastisch schw?rmte er vom Bund fürs Leben, von Intimit?t und Herzensgemeinschaft, er machte sogar kleine witzige Gedichtchen und ein Akrostichon auf den Namen seines Auserw?hlten. Alles erz?hlte er ihm, was er sich bei allen Gelegenheiten dachte, und sorgsam trug er nach, woran er sich aus der noch nicht gemeinsamen Vergangenheit erinnerte. Offenheit und Mitteilsamkeit waren ihm die selbstverst?ndlichsten Freundespflichten, ja eine gewisse Kühnheit im Aussprechen von Dingen, die man sonst nur mit einer gewissen Scheu nennt, schmeichelte ihm wie ein Opfer, das er dem andern brachte, dem Freunde, der mit seinem gro?en dicken gelben Gesicht still neben ihm ging, schaukelnd über dem breiten Bauch. Denn ein Umstand kam dem Verkehr vornehmlich zustatten: Eisig stotterte ein wenig, daher war es dem lebhaften Arnold leicht m?glich, ihm geschickt in die Rede zu schnellen, w?hrend er selbst in seinem Hinstürmen nie unterbrochen werden konnte. Arnold schien ihn f?rmlich mit seiner Zunge zu regieren, sowie er auch mit den H?nden oft durch einen kleinen starken Ruck dem gro?en, aber haltlos wankenden K?rper des Freundes schnell die richtige Wendung gab, um ihn auf irgend eine flüchtige Erscheinung aufmerksam zu machen oder um ihn in die gewünschte Gasse einzubiegen. Und dieses angenehme Gefühl des sofortigen Befolgtwerdens, der Ungehemmtheit, das er übrigens nicht durchschaute – so natürlich und triebhaft entstr?mten ihm die Befehle – verschmolz ihm in eins mit den z?rtlichen Aufwallungen der ersten Zuneigung, mit den Geheimnissen, die die beiden einander mitteilten, mit dem erhabenen Beispiel von Orest und Pylades, das ihn seit jeher begeistert hatte. Er fühlte sich zu jeder Heldentat bereit, h?tte gern stoisch Folterungen ausgehalten, um den andern in nichts zu verraten. Abends gingen sie manchmal, eingeschlossener trotz der ungleichen Statur und mit seltsam gezwungenem Schritthalten, auf den Feldern drau?en vor der Stadt spazieren, sie starrten in die Sonne oder vom reinlichen Quai hinab in den gro?en tiefen Flu?, dann sprachen sie wieder etwas, und obwohl es nur ein Witz oder Schultratsch war, kam oft eine ahnungsvolle Verworrenheit in ihre Worte, wie Wind in die Seiten einer ?olsharfe, und solche Innigkeit verkl?rte noch ihr geringstes Gespr?ch, da? Arnold nicht selten die Tr?nen in seinen Augen aufsteigen fühlte. Dann wischte er sie mit dem Rock?rmel ab, w?hrend der Dicke in feinfühligem Verst?ndnis sich zur Seite wegwandte, um ihn nicht besch?men zu müssen. Erst zur Nachtmahlzeit schieden sie voneinander und am n?chsten Morgen, w?hrend des Ankleidens, brannte Arnold unb?ndig schon wieder auf die n?chste Zusammenkunft, denn es hatten sich ihm noch am Abend vor dem Einschlafen so viele Dinge aufgeh?uft, die er dem Freund auf dem Schulweg mitzuteilen hatte und die er nun sorgsam ordnete, das minder Wichtige voran, das Sch?nste zuletzt, um alles in der richtigen Reihenfolge und mit der richtigen Wirkung an den Mann zu bringen ... Indessen war Eisig bei all der aufgedr?ngten Schweigsamkeit der überlegene in diesem Verkehr, da er Billard spielen konnte, auch schon hie und da Kaffeeh?user besuchte und den Frauen nicht mehr ganz ferne stand; was alles er dem Mutters?hnchen Arnold binnen kurzem beibrachte. Welch neue interessante Blütenwelt! Arnold war bald bis über die Ohren in sie versunken, bestrebt, den Lehrer wom?glich zu übertreffen. Denn kein Ding machte ihm eigentliches Vergnügen, wenn er nicht andere darin übertreffen konnte. Nur Geld fehlte ihm, Eisig borgte willig die H?lfte seiner Taschenbezüge, was Arnold übrigens als selbstverst?ndlich auffa?te und in Eisigs Lage genau so gemacht h?tte. Dafür half er dem Geliebten bei Hausübungen nach. Eisig war n?mlich einer der Schw?chsten und Faulsten in der Klasse, Arnold natürlich Primus, was ihn jedoch nicht hinderte, auch bei den gr?beren, untergeordneten Naturen, die sonst das Flei?ige und Erfolgreiche hassen, sehr beliebt zu sein, an allen ihren Streichen teilzunehmen und bald sogar ihre Führung an sich zu rei?en, w?hrend er trotzdem bei den Lehrern das Ansehen eines willigen Glanzes behielt.

Besonders schlecht stand Eisig beim Professor des Griechischen, Schleiderer mit Namen, dessen Laufbahn auch sonst von vielen Verwünschungen der unruhigen Schüler widerhallte, als eines unglücklichen Menschen übrigens, der er war. Seine Bosheit war berüchtigt. Und sollte man da nicht wild werden, wenn er dem Eisig die griechische Schularbeitstheke sü?l?chelnd mit den Worten reichte: ?Eisig Philipp – diesmal etwas besser gearbeitet. – – Nicht genügend?. Eisigs gew?hnliche Note bei Schleiderer war n?mlich ?Ganz ungenügend? ... Da trat Arnold als Vertreter eines Gedankens auf, der schon lange ungesprochen durch die Klasse gebebt hatte: ?Wir müssen einen Anti-Schleiderer-Verein gründen!? Der Name machte allen alles klar, nun wurde die l?ngst vorbereitete Bewegung grausam organisiert und als alleiniger Zweck des Vereins wurde die Losung ausgegeben: den Schleiderer heraus- oder totzu?rgern. W?hrend aber die schlechten und eingeübten Randalierer zu unfeinen Mitteln, wie: Knallerbsen, Stinkbomben – rieten, war Arnold erfinderisch. Er leitete es ein, da? einmal w?hrend der Griechischstunde hier und dort einer von seinem Platz aus langsam und allm?hlich sich erhob, das Buch in der Hand, an verschiedenen Stellen der Klasse, so da? es zun?chst nicht auffiel. Die ?ngstlichen standen in geknickter Verrenkung, als sei ihnen nur das Sitzen für ein Weilchen unbequem geworden und als wollten sie sich in halb aufrechter Stellung ein wenig ausruhn; andere hielten ihre Hefte oder Bücher dem Lichte zu, als h?tten sie unten nicht Licht genug für ihre Arbeit; manche kratzten sich, wie geistesabwesend, verlegen in den Haaren. Unbemerkt standen nun andere wieder auf, immer mehr, bis entsetzt der Professor pl?tzlich die ganze niegesehene Ver?nderung r?tselhaft aufgestellter, gleichsam gespensterhafter Schülerreihen vor sich hatte. – Oder er gab das ?B?nkerücken? an; langsam schoben die in der ersten Bank ihre Sitze vor, die n?chsten folgten, m?glichst ohne Ger?usch, nur ein kleines Knarren oder Seufzen des Holzes manchmal, angestrengt arbeitete die ganze Klasse dem gemeinsamen tückischen Ziel entgegen, keiner pa?te auf den Homer auf, den der Professor wie über aller K?pfe und Ohren hinweg in die Luft vortrug, – und schlie?lich erschreckte den nichtsahnenden Feind wieder ein so ungewohnter Anblick, als er vom Katheder herabsteigen wollte und keinen Zwischenraum wie sonst zwischen dem Podium und der ersten Bank vorfand, da die B?nke bis an die Erh?hung, wie Belagerer, vorgerückt standen. Und alle machten ein m?glichst unschuldiges dummes Gesicht dazu, ja sie schienen nicht einmal etwas Auffallendes zu bemerken, so da? sein Blick ratlos an ihren kalten teuflischen Gesichtern hin wanderte. – Oder die Derbsten in den letzten Flegelb?nken rauchten gar – auf Arnolds Anreiz –, verborgen hinter Büchern, bliesen den Rauch in ihre Hüte, die sie immer wieder sorgf?ltig umklappten, bis endlich diese Sammelbüchsen voll waren und nun schlugen sie sie um, da? ein wei?es dampfendes Gew?lk unbekannten Ursprungs langsam zur Decke emporstieg, eindrucksvoll qualmend wie zum Aktschlu? einer Zauberposse ... Jetzt war Arnold Liebling und Stolz der Klasse; und immer noch brav, immer noch: ?Sittliches Betragen: musterhaft? auf dem Zeugnis. Der Verein h?tte ihn aber doch vielleicht entschiedener in den Unfug gezogen: da ereignete es sich eines Tages, da? Professor Schleiderer, der Verha?te, wie von selbst auf der Schlo?treppe hinstürzte und sich den Sch?del brach. War es Wahnsinn? Selbstmord? Niemand erfuhr es, auch in der Folge nicht. Die jungen Sieger aber standen nicht an, dies als Folge ihrer gutgelungenen sinnverwirrenden Qu?lereien zu erkl?ren und an demselben Tage ein fr?hliches Zusammentreffen in der Eisigschen Wohnung einzurichten, das ohne Reue als eine Art von kannibalischem Triumphfest geplant war, in das sich aber unvermerkt mit immer bedenklicheren Reden und gar nicht mehr knabenhafter Unfrische ein geheimes Todesgrauen einzuschleichen begann – viele von den Burschen hatten überhaupt noch nie einen Todesfall in ihrer n?heren Umgebung erlebt – und das schlie?lich ganz appetitlos, ernsthaft, ja mit dem Entsetzen, das in Erfüllung gegangene Flüche und Orakel umwittert, und in Angst vor allen unberechenbaren Zuf?llen des Lebens zu Ende ging – des Lebens, das auf alle diese Kinder drau?en lauernd wartete.

Die Mutter sah es nicht gern, wenn ihr Arnold in das Eisigsche Haus hinüber ging. Das ganze Treiben dort gefiel ihr nicht. Schon den dicken Philipp mochte sie nicht besonders leiden und ermahnte ihn immer, wenn er sie verlegen anstotterte: ?Langsam sprechen, nur hübsch langsam?, sie hegte n?mlich den Wahn, da? alle Krankheiten und üblen Zust?nde, die sie nicht verstand, nur schlechte Gewohnheiten seien ... Arnold aber, der gemach in das Alter kam, in dem man die Freunde über die Eltern setzt und überhaupt die Ansichten der Eltern mit einigem Trotz und Mi?trauen prüft, ging nun erst recht zu Eisigs. Dort konnte sich ein gewisser toller bubenhafter Zug seines Charakters zu üppiger Entwicklung durchringen, dort hatte alles einen Strich von ungebundener R?uberromantik, schon die ungeheuerliche Unordnung und Verwüstung in den gro?en hohen, dabei nicht hellen S?len des alten Geb?udes: all dies mit der ordentlichen Sparsamkeit zu Hause kontrastierend ... Die Eisigskinder, fünf S?hne recht verschiedener Altersstufen, bekamen alles, was sie nur wünschten, in Verschwendung, sie hatten, au?er dem besonders auffallenden Billard, in ihrer Wohnung eine Laterna magica, ein herrliches Puppentheater mit zahllosen Kulissen, Turnger?te, s?mtliche B?nde von Jules Verne, Gerst?cker und Karl May, und überdies durften sie nach Herzenslust alles zerrei?en, verborgen und verbrauchen, wobei ihre lustigen Eltern noch spitzbübisch mitlachten, w?hrend bei Beers alles abgezirkelt und wie am Schnürchen gehn mu?te. Schon da? die Eisigsjungen fünf waren und so mannigfache Talente – einer konnte Karikaturen zeichnen, einer photographierte, einer konnte mit dem Mund das Ger?usch einer S?ge nachmachen u. s. f. –, mu?te dem einzigen Sohn Arnold imponieren. Welche Kombinationen gab es da, welche von altersher eingelebten Scherze und Neckereien, welche Wirkungen vereint und gegeneinander, und wieviel Gerümpel und altes Spielzeug, da jeder von den ersten Jahren an seine eigenen Sachen hatte! Besonders aber fand Arnold an dem ?ltesten Gefallen, an dem Herrn Gottfried, der allerdings, wie er sich recht wohl eingestand, eigentlich ?noch nichts für ihn war?, der ihm aber trotzdem hie und da ein Stündchen traulichen Geplauders gew?hrte, in unbegreiflicher Herablassung. Arnold bewunderte den Studenten schrankenlos, der, wie er h?ufig erkl?rte, die Schauspielerei studierte, eigentlich schon alles irgendwie N?tige gelernt hatte und nur vorl?ufig, da er ohne Engagement blieb, Gedichte ?im modernsten Genre? schrieb, selbst verfertigte Verse, die sich nicht reimten und in denen h?ufig Worte wie ?Glast, Sehnsüchte, kranke Finger, geistern, Silber, Onyx, Chysopras? vorkamen. Gottfried rezitierte sie selbst gelegentlich im Familienkreise und vor G?sten, nicht ohne Anflug eines kleinen Familien-Stotterns ... O hier gab es Anregung, hier waren die neuen Sachen, hierher verlegte Arnold bald das ganze Leben seiner freien Zeit, und da schlie?lich das Etablissement Eisig als gewaltiges Hutexportunternehmen in ansehnlicher Blüte stand, hatten die Eltern Beer nach n?heren Erkundigungen gegen diesen Umgang im Grunde nichts mehr einzuwenden.

Eisigs besa?en auch einen Fu?ball. Dieses an K?rperinhalt so geringfügige Ding bewirkte, da? für Arnold eine neue ?ra und Leidenschaft anbrach, ein Fu?balljahr ... Schon vorher hatte er das Spiel geliebt, das als ?roh und gesundheitssch?dlich? von der Schule aus und gleichfalls von den Eltern verboten war. Man wies gern auf Unglücksf?lle hin, man las den Kindern aus der Zeitung vor, da? der oder jener hoffnungsvolle junge Mann durch einen unglücklichen Fall oder gar infolge eines Tritts beim Fu?ballspiel unheilbaren Schaden genommen hatte. Indes verkl?rten solche Nachrichten in den Augen Arnolds den gef?hrlichen Sport, munterten ihn nur auf, und obwohl man ihm strafweise das kleine Taschengeld entzog, wu?te er sich doch immer wieder einen Ball zu verschaffen und eilte dann mit Gleichgesinnten in den Stadtpark, um sich für zwei, drei Stunden am ?Kicken? und ?Rempeln? gütlich zu tun. Im Stadtpark drohte freilich eine neue Gefahr, denn dort war auf allen Wegen das Fu?ballspiel ebenfalls verboten, und wenn die Buben mit glühenden Wangen gerade im besten Laufen waren, erschien manchmal der Parkw?chter mit Tschako und S?bel, ein alter Mann, ergriff wortlos den rollenden Ball, den Puls des Spieles, den Ball, den man mit so viel Schwierigkeiten einem M?derl abgeschwatzt oder irgendwo gestohlen hatte, und steckte ihn, den teuren Ball, in die Tasche, worauf er wortlos hinter den Gebüschen wieder verschwand; denn mit den unverbesserlichen Sportfreunden zu zanken oder ihnen die Vorschriften einzusch?rfen, hatte er l?ngst wegen Aussichtslosigkeit aufgegeben ... Man w?hlte daher, um vor seinen r?uberischen überf?llen sicher zu sein, gern die Abendstunden, in denen er seine Rundg?nge nicht mehr so eifrig einhielt und die auch alles leicht verhüllten hinter Nebeln über den Wiesen und langen Schatten. Dann tauchte die Gesellschaft vorsichtig auf, ganz nach Art verfolgter Gottesdienste im Anfang einer Religion wurden abgelegene Pl?tzchen ausgesucht, Vorposten ausgestellt, ?ngstlich wurde das Heiligtum, der Ball, hervorgeholt, doch erst, wenn alles sicher schien. Dieser Ball ... o mit welchen bejammernswerten Surrogaten mu?ten sich die Enthusiasten manchmal begnügen. Einmal war es ein leichter roter Gasballon, der zu hoch sprang und der die ganze wohlgeübte Fu?technik der Mannschaft st?rte, einmal ein gro?er, ganz weicher, mit kindischen Bildern, dann ein kleiner billiger wei?er Gummiball, der jeden Moment ins Buschwerk lief und kaum mehr aufzufinden war, ein anderes Mal hatte der Ball schon Luft verloren, das hei?t er bekam an einer Seite eine kleine r?tselhafte Einsenkung – und mochte man ihn nun streicheln und drücken, wie man wollte, mochte man mit aller Vorsicht die Vertiefung langsam in weicher Hand aufzurunden suchen, immer zeigte sich die tückische Grube an einer anderen Stelle, immer wieder genau so tief wie vorher, eher noch tiefer. War einmal ein Ball so weit, so war er unrettbar verloren. Man erkannte das an seinem hohlen scheppernden Ton beim Laufen, man konstatierte es mit einem wahren Todesschreck in den Gliedern. Denn nun war das richtige Vergnügen vorbei. Trotzdem h?rte man natürlich nicht auf zu spielen, wenn auch der Ball nur schlecht sprang und von der graden Bahn abwich. Einige Künstler behaupteten sogar ganz stolz, sie spielten nicht ungern mit so einem zerkickten Balle, denn sie k?nnten seine ?F?lsche? berechnen. Indes vergr??erte sich unaufhaltsam mit jedem Sto? der Fehler, schlie?lich hatte sich die Senkung über die halbe Fl?che schlapp ausgebreitet. Doch nicht einmal das war ein Hindernis. Man schob nun den Ball zusammen, machte eine hohle Halbkugel aus ihm, einen Klumpen und in diesen überrest stie? man eifrig, trug ihn mehr auf der Fu?spitze als man ihn warf, verzichtete auf jede Elastizit?t, auf den Fernkampf, so da? das Spiel endlich in Nahkampf d. h. in eine Prügelei ausartete ... Primitiv wie der Ball war auch das Goal eingerichtet, zwischen zwei B?umen, die man durch eine mit dem Stiefelabsatz gezogene Linie im Sand verband. Fehlten die B?ume, so legte man Kleider in zwei Bündeln auf die Erde und bestimmte die Linie zwischen ihnen als Goal, wobei dann allerdings die Streitfrage entstand, ob es als Goal zu betrachten sei, wenn der Ball über die Kleiderbündel fliege oder sie streife. Man nannte das ?Stange?, denn die R?cke vertraten ja die Goalstangen, und bel?stigte nun die ?lteren Spieler, sogar die Sportzeitungen mit diesem Problem. Und nun gar, wenn es immer dunkler wurde, wer konnte noch entscheiden, ob ein Schu? richtig getroffen hatte oder nicht! Man spielte einfach in die Nacht hinein, erstickend, keuchend, man bewegte sich, es galt auszugleichen oder den Sieg zu entscheiden, in h?chster Spannung und Anstrengung – und dabei mu?te man sich zurückhalten, durfte nicht schrein, nicht anfeuern und jauchzen, alles mu?te lautlos vor sich gehn, sonst h?tte man sich dem W?chter verraten. Erst bei v?lliger Finsternis h?rte man auf. Die Feinde und Freunde hinkten nach Hause, hungrig, durstig, zerschunden – das aber fühlten sie nicht – nein für Arnold, wie für alle, lag ein sü?er Zusammenhang zwischen ihrer Abgeschlagenheit, dem Schwei?, den Schuhtritten, die sie an ihren Waden schmerzten, an den Schienbeinen, l?ngs derer vielleicht ein gegnerischer Schuhabsatz herabgeglitten war oder sich eingehackt hatte, da? innen die Sehnen brummten, zwischen all dem und dem sü?en Fliederduft des Parkes, dem n?chtlichen Blühn und einem leisen, eben entschlafenden Vogelgezwitscher – o ein Zusammenhang, in dem diese Knaben st?rker als jemals ihre Jugend und die heldenmütige Kraft des Blutes und eine sich weitende Freude spürten bis an das schwarze Himmelsgew?lbe hinauf. Sie marschierten in die Gassen hinein, sie fürchteten sich nicht vor den Eltern, nicht vor der morgigen Schularbeit, sie summten ein Lied. – So weit stand die Sache, als Arnold mit Eisigs n?her bekannt wurde. Damit erhielt er pl?tzlich, nach all den dilettantischen Versuchen, Anteil an einem Fu?ball, an einem wirklichen englischen Fu?ball, der seine hohe Verehrungswürdigkeit schon dadurch bekundete, da? er wie ein belebtes Wesen eine ?Seele? besa?. Nun überstieg die Fu?ballbegeisterung alle Grenzen. T?glich nach der Schule zogen die fünf Eisigs mit Arnold auf die Wiesen, drei gegen drei teilten sie sich dort und los gings. Nicht genug damit, man übte auch in der kurzen Zeit zwischen Vormittags- und Nachmittagsunterricht, und da war der gro?e Hof im Eisigschen Haus der geeignetste Platz dazu, dieser Hof mit seinen Kisten, Handkarren, Holzschuppen, alten B?umen, Kellertüren, dieser Hof in glühender Mittagssonne. Nichts konnte die Passionierten abhalten, nicht, da? der Hof gepflastert war und daher jedes Hinstürzen hart spüren lie?, auch nicht da? der Ball einmal bei einem Hochkick ein Fenster im ersten Stock zerschmetterte, was zu gro?en Mi?helligkeiten zwischen Papa Eisig und seinem Mieter führte. Es wurde nur einfach ausgemacht, von nun an keine Hochkicks mehr zu machen. Und unverdrossen kroch man zwischen F?ssern durch, wenn der Ball sich zwischen sie verloren hatte, kletterte ihm nach durch die Fenster in die versperrten Keller und Schuppen, breitete sich immer weiter aus, spielte bei Regenwetter im Vorzimmer der Wohnung, zerbrach Lampen und Spiegel, umging immer wieder die elterlichen Verbote. Ja man ging zum Angriff auf ihre Herzen über, suchte sie für den Fu?ballsport zu gewinnen, indem man sie überredete, Sonntags sich einmal ein Wettspiel anzuschaun. Unterwegs wurde ihnen alles auf das Fachlichste erl?utert: die Aufstellung, Goal, Hand, Ecke, der Elfjardsto?, die R?tsel des Offside. Angesichts des Spieles machte man sie auf hygienische Nützlichkeiten aufmerksam, zog die Olympischen Spiele der Griechen zum Vergleich heran, deutete auf die moralischen Werte gerade dieses Sports hin, der es dem einzelnen verbiete, ?egoistisch? zu spielen und das Gesamtinteresse seiner Partei auch nur einen Moment aus dem Auge zu lassen ... Um diese Zeit erschien zum erstenmal eine englische Mannschaft in der Stadt. Es war eine Umw?lzung! Man hatte ein ganz neues Zusammenspiel zu erlernen, das Zuspielen auf der Erde, Kopfst??e. Die sechs Helden trainierten unverdrossen, jeder mit dem festen Vorsatz, ein Champion zu werden. Sie kannten alle Wettspielresultate der letzten Jahre, alle Meisterschaften auswendig, sie umgaben die berühmten Spieler mit schw?rmerischer Verehrung. Sich selbst photographierten sie im Hof, in verliebten Stellungen, mit dem Ball im Arm, oder in gestellten Gruppen, wie einer dribbelte und den Gegner dabei ?t?uschte? oder wie er im letzten Augenblick ?rettete? oder wie er im Goal dem Schu? entgegensah, die H?nde auf den Schenkeln, den Kopf gesenkt mit sp?hendem Blick. Sie schafften sich ?Treter? an und hatten dabei ein an Verbrecherlust grenzendes Gefühl von Grausamkeit und Mut. Ihr Traum war, sich zu einer Mannschaft auszubilden und siegreich den Kontinent zu bereisen ... Arnold hatte sich unbestritten zum Kapit?n aufgeworfen. Er trug auch immer den Ball zum Spielplatz, was ein besonderes Ehrenamt war und au?erdem dem Tr?ger Gelegenheit gab, schon unterwegs einige Kicke in den Ball zu tun. Dies jedoch wurde ihm von den andern stets mit lautem eifersüchtigen Geschrei untersagt. Es war verp?nt. Der Ball sollte getragen, aber nicht gekickt werden. Auf das Kicken behielten sich alle das gleiche Recht vor und wachten streng darüber, so überirdisch schien ihnen dieses Vergnügen, dieser geschickte Ansto? an die st?hlern klingende Rundung, diese Kraft und Richtung ... Ging Arnold allein durch die Gassen, so phantasierte er sich auch stets einen Ball vor die Fu?spitzen, den er kunstvoll lenkte und an den Spazierg?ngern knapp vorbeitrieb. Das war seine liebste Unterhaltung. Und abends konnte man ihn wild, die Mütze in der Hand, durch leere Gassen rennen sehn. Dann war er in seiner Vorstellung mitten im Wettspiel, drau?en auf dem rechten Flügel Forward – dies war sein Posten, wenn er mit Eisigs spielte –, dann überholte er Feinde, die mit ihm zurückliefen, wich den Mittelstürmern, die ihm entgegenkamen, gewandt aus. Seine ganze Mannschaft sah er im gleichen Tempo mitrennen, über das grüne Feld hin wie einen riesigen F?cher, der sich verl?ngert, sah aller Augen auf sich gerichtet, denn er hatte den Ball, – knapp an der wei?en Outline lief er, w?hrend das Publikum mit ?Hipp, hipp? ihn anspornte und erregte K?pfe über die Holzstangen ihm sich nachbogen – sah sich als Teil eines Ganzen, als Anführer, all dies in wenige Sekunden zusammengepre?t – endlich spielt er den Ball in die Mitte, der Centre hat ihn und l??t ihn mit der Wucht beinah eines senkrechten Falles durch das feindliche Goal in das heftig aufzitternde Netz stürzen, ... w?hrend der tapfere unegoistische Flügel langsamer heranl?uft, alles überblickend. Und nun wird applaudiert, es rauscht, es schreit. Sieg! Sieg!

Eine Zeit lang verkehrte Arnold mit niemandem als den Eisigbuben. Bald aber wuchs sein Bekanntenkreis und wurde schlie?lich ihm selbst unübersehbar und unheimlich. W?hrend er in der Schule voran blieb, ?ffentlich und im Geheimen, auch in der Kommerskassa zum Obmann anstieg, die Kneipzeitung nicht nur redigierte, sondern auch auf einem selbstgekochten und selbst in die Blechpfanne eingegossenen Hektographen abzog (welche Schmerzen, wenn schlie?lich mitten in der immer dünneren und durchscheinenderen Masse der Blechgrund durchsah oder wenn die Gelatine in kleinen Kandiszuckertr?pfchen an die feuchten Abziehbogen abbr?ckelte), w?hrend er sogar eine kleine verbotene Lotterie für die Maturakneipe unter den Kameraden und deren m?glichst weit herangegriffenen Angeh?rigen veranstaltete, begann er doch auch noch au?erdem ein schwungvolles Privatleben zu führen. Gottfried Eisig, der Schauspieler, brachte ihn in eine Gesellschaft von Konservatoristen, in dunkle Hofzimmer, wo es von Violinskalen und N?sse seufzte; bei einem von ihnen, Waldesau, der durch besondern Ernst ihn ansprach, lernte er mit rei?enden Fortschritten Klavier. Nebstbei trat er in einen Tennisklub ein und erw?hlte auch dort, in der vornehmen Welt, seine Freunde. Dies alles steigerte sich noch, als er nach glücklich mit allgemeiner Auszeichnung abgelegten Prüfungen die Hochschule bezog. Eigentlich sollte er in das Gesch?ft seines Vaters eintreten, doch zog er dies durch unschlüssiges Studium und Berufsprobieren noch einige Jahre hinaus. Er inskribierte dort und da, klaubte aus allen Gegenst?nden die üppigen Mandeln heraus, lie? sich von Gef?hrten zur rechten und zur linken Seite bald in die ?gerichtliche Medizin?, bald zu ?Experimentalphysik? oder ?Sanskrit? oder den ?Versma?en des Horaz? ziehn. Er gewann zu ganz intimen Brüdern: L?b, den sachlich strebenden Bakteriologen, der zun?chst im Schul-Mikroskopieren, bald auch mit eigenen Ideen Geschicktes leistete – ferner den ruhigen kleinen Krause, der mit Jusstudium eine gründliche Erforschung des jüdischen Wesens und zionistische Propaganda verband. Arnold selbst trat einem deutschen Studentenverein bei und war dort eine Zeit lang der Vertraute des in politischen Dingen jugendlich-energischen und wohlvertrauten Technikers Grünbaum. Grünbaum nahm Malstunden, natürlich teilte sie Arnold mit ihm ... Das Seltsame nun bei diesen nach allen Seiten umsichgreifenden Beziehungen war, da? Arnold mit Sicherheit für jeden seiner Freunde den richtigen Ton traf, da? er niemals dem Waldesau, sondern immer nur dem eleganten Preisruderer Bobenheim unanst?ndige Witze erz?hlte, da? er mit Grünbaum ebenso schw?rmerisch von Rodin, wie mit L?b von ?Ehrlich 606? sprach, und wieder da? ihm Professor Ehrlich für L?b den gro?en Arzt und für Krause den gro?en Juden bedeutete ... Natürlich war er l?ngst klug geworden und hatte die schwadronierende Art seiner Gymnasiasten-Reden l?ngst aufgegeben; aber die pr?chtige und beflügelte Sprechweise, der str?mende Schwall von Ideen, der auch den H?rer in einen Zustand angenehmer Leichtigkeit versetzte, war geblieben. Hierzu gab nun sein wirklich übermenschlicher Eifer in allen Bestrebungen, der Mut, mit dem er immer seine ganze Person, seinen edelfunkelnden Geist einsetzte, mit dem er immer furchtlos sofort das Herz der Probleme attackierte, all diese Zauberei einer schnellen Auffassung und eines unverwüstlichen Ged?chtnisses – gab Untergrund und Quadersteine für blendende Bauwerke ... Kein Wunder, da? ihn alle Freunde für ein vielseitiges Genie hielten. Als bedeutender oder, wie man unter ?ltern Leuten sagt, als ?gescheiter? Mensch war er allgemein bekannt. Er war jetzt von ziemlich gro?er Statur, seine Augen lagen unter hohen Knollen der trotzdem freundlichen Stirne, in tiefen bl?ulichen H?hlungen also, aus denen sie wie schattige Gebirgsseen, klar und doch von unergründlicher F?rbung, hervorsahn. Diese gro?en verfinsterten Fl?chen teilten zugleich mit dem Nasenschatten, der über der glattrasierten Oberlippe spielte, mit den wei?en ebenm??igen Wangen sein Gesicht überblickbar ein, machten es leicht einpr?gsam. Dazu der flache breitgerandete Strohhut, der niedrige Umlegkragen, dem der Hals frei und künstlerhaft entstieg, der weite gutgeschnittene überzieher – und die markante Pers?nlichkeit, der angesehene Mitbürger war beinahe fertig ... Auf solche ?u?erlichkeit, die sich ja mit der Zeit von selbst einstellte, gab jedoch Arnold wenig; sein Flammenstreben richtete sich vielmehr nur darauf, mit jedem einzelnen der Freunde zu wetteifern und alle zu überflügeln. Er stieg einfach in alles hinein, ohne Berechnung, aus purer Lust. Wenn L?b zu wissenschaftlichen Lektürzwecken Englisch und Franz?sisch erlernte, so begann er gleich noch Italienisch dazu. Las Krause die Bibel im hebr?ischen Urtext, so verschaffte sich Arnold schon Auszüge aus dem Talmud.

Dies jedoch h?tte die Verehrung, die ihm diese so verschiedenartigen jungen Leute zollten, noch nicht erkl?rt. Es mu? noch gesagt werden, da? er alle nicht nur begleitete, sondern auch stie? und antrieb und tr?stete. Tr?stete, indem er sie stie? – nirgends Schwierigkeiten sehend und mit der ihm angeborenen nebelhaften Energie gleich nach Erfüllung aller Wünsche langend. Es war eben seine eigentümlichste Eigenschaft, da? er, in Gesellschaft mit einem Freunde, ganz und freudig erfüllt von dessen Liebhaberei, unter allen Umst?nden weiterdr?ngte und in hellstem Optimismus sich und den andern für f?hig zu allem hielt. War etwas in den Lehrbüchern beiden unverst?ndlich, so war es falsch, eventuell ein Druckfehler. Stimmte eine Theorie nicht zu eigenen Beobachtungen, so verwarf er jedesmal ohne Gewissensbisse die Theorie, niemals die noch so flüchtige Beobachtung ... So kam es, da? er überall nichts als Reformbedürftigkeit sah. Die Philosophie sollte von Grund aus umgeformt werden, die Physik war l?cherlich, die Welt des ?ffentlichen Lebens beruhte ebenso auf falschen Prinzipien wie das Rudertraining. Wieviel gab es da zu arbeiten, wie zum Verzweifeln wenig war eigentlich fertig! Und wie sch?n war diese Verzweiflung!... Arnold hielt sich nie mit Details auf, nur die gro?en Grundideen warf er über den Haufen und schrie: ?Das ist überwunden. Da mü?te so und so weitergebaut werden!? Mit erhobener Hand stand er über den Freunden, die in ihrem mühsamen ehrlichen Kleingewerbe befangen den gro?en Zug verlernt hatten und gern den frischen Hauch so freimütiger Weltgedanken h?rten, wenn sie auf dem ersten Schritt zu diesem Luftzug hin über irgend ein ernsthaftes Kramzeug stolperten. Hatten sie aber auch nur einen kleinen vorsichtigen Schritt nach vorn getan, gleich war Arnold da und lobte, nannte das eine ?tüchtige Leistung? und lie? das Kommende hochleben. Er verstand sich besonders darauf, gut und einschmeichelnd zuzuh?ren; und dies wieder, weil er das Zuh?ren nicht affektierte, sondern weil er ernstlich glaubte, von seinen in die Spezialstudien detachierten Freunden die reinste Essenz der Wissenschaft einziehn zu k?nnen, die fertigen Resultate, zu deren Erarbeitung er selbst keine Zeit hatte. So sa? er and?chtig, behielt immer die Einteilung ihrer ganzen Arbeit sicher im Kopf, wu?te, wie weit man neulich gekommen war, konnte durch Ausbessern kleiner Flüchtigkeitsfehler oder Dispositionsabweichungen seine Aufmerksamkeit wohltuend dem andern beweisen ... Natürlich war er nicht so unliebenswürdig, mit der Türe ins Haus zu fallen, sondern nahm auch an den Familienverh?ltnissen der Freunde einen Anteil, an ihren Liebschaften und Verdrie?lichkeiten. Immer aber wu?te er, ihre fortschreitenden Fachkenntnisse und die besondere Richtung ihres Denkens als das Wichtigste an ihnen und an ihrem Verkehr mit ihm zu behandeln, wie es ja seiner überzeugung entsprach, auf diese Facharbeit kam er nach jeder Einleitung zu sprechen, und da die Freunde bald merkten, da? aus ihrer Umgebung nur er stets und wirklich aus dem Herzen auf dem bestand, was sie selbst als das Edelste an sich, wenn auch manchmal als etwas Unbequemes, ansehn mu?ten, zogen sie ihn bald allen übrigen Kameraden vor. Zumindest hatte er eine Sonderstellung. Man plauschte mit ihm, aber es war kein leerer Zeitvertreib, es war eine Anspannung, seinem impulsiven Andrücken immer genügen zu k?nnen, man mu?te sein Bestes geben. Abschweifungen in andere Gebiete lehnte er ab, indem er sich pl?tzlich (und ebenso ehrlich wie vorher interessiert) uninteressiert verhielt. Solche Laienhaftigkeit schien er nur sich selbst vorbehalten zu haben ... Doch arbeitete er auch selbst, vertiefte sich manche Tage lang in irgend eine Frage, die ihm im Gespr?ch mit einem Freunde gekommen war, schrieb er ein paar Klavierstücke, einen ?Abri? einer neuen Werttheorie?, einen ?Entwurf zur Kritik Spinozas vom Standpunkte der Rasse aus? – lauter kleine Heftchen, vollgeschmiert mit flüchtigen, oft klecksartigen Schriftzeichen, Abkürzungen, Symbolen – und mit gro?em Vergnügen las er dann die noch unfertigen Darlegungen dem betreffenden Freunde vor, für den er eigentlich die Arbeit unternommen hatte. Das Vorlesen war n?mlich das Ziel der ganzen Arbeit; Arnold arbeitete mit Unlust und Ungeduld, unter tausend Ablenkungen, und was ihn w?hrend dieser Mühsale emporhielt, war nichts anderes als der Gedanke an die herannahende geisterfüllte Vorlesestunde. Und war sie da, dann erschütterte die Leidenschaft sein blasses Gesicht, seine zuckenden H?nde mit aufschie?enden Blutwellen, dann erst begann seine eigene Arbeit ihm sich zu f?rben und zu beleben, dann schrie er in melodischen Akzenten, hielt nur still, um neue Ausblicke einzufügen, entschuldigte sich, da? dies ja noch nicht die endgiltige Fassung sei, man m?ge mehr auf die Absicht sehn als auf das, was wirklich dastehe, schlo? dann mit leuchtenden Augen in einer ausführlichen Skizze, was und wie es nun weiter zu machen sei: ?also, lieber Krause, das überlasse ich jetzt dir. Da leg dich hinein und schau, da? was draus wird. Es ist ja so einfach ...? – Wie er aber selbst gern vorlas, so verlangte er auch von den Freunden rückhaltlos die Produkte ihrer T?tigkeit, selbst wenn diese mutlos und schamhaft lieber ihre halbausgereiften Pl?ne verborgen h?tten. Er brach in ihre Schreibtische ein, er zwang sie durch flehentliches Bitten, ihm doch etwas, was sie gerade im Kopf w?lzten, zu erz?hlen. Da? sie in der letzten Zeit nicht gearbeitet h?tten, lie? er einfach nicht gelten. Ausreden wie: Zweifel an ihrer eignen Tüchtigkeit, Unwohlsein, Müdigkeit – schob er mit burschikosen Flüchen weg. Schlie?lich sch?mte man sich, mit leeren H?nden vor ihm zu erscheinen. Arnold verlangte einfach, da? rings um ihn geleistet wurde; als h?tte er selbst das dunkle Gefühl, da? er für seine Person mit seiner Zersplitterung nichts Nennenswertes hinterlassen würde, suchte er seine Spannkraft wenigstens durch das Medium anderer Gehirne hindurch wirken zu lassen. Der starke Wille, der in ihm lebte, in ihm selbst unfruchtbar, wurde auch tats?chlich die Stütze und der Sauerteig vieler Arbeiten seiner Freunde. Der verwickelte Ausbau seiner vielfachen Bedürfnisse und natürlichen Triebkr?fte stand wie ein Turm da, an den sie sich lehnten ... Waldesau zum Beispiel, der Musiker, der in einem best?ndigen Ekel vor sich selbst lebte, gestand oft, da? er keine Note schreiben würde, wenn ihm Arnold nicht immer wieder mit kollegialen Schimpfreden den Teufel aus dem Leib triebe. So aber lieferte er Kompositionen, Lieder und Sonaten, die zwar er selbst erb?rmlich, verbrecherisch fand, die aber das enthusiastische Lob nicht nur Arnolds, auch ?lterer Musikkenner hervorriefen.

Arnold ging weiter. Er liebte es – all dies instinktiv, nicht aus überlegung – seine Freunde, die einander noch nicht kannten, mit einander zusammenzubringen, falls er sich davon gegenseitige Anregung und F?rderung ihrer Arbeiten versprach. Er hatte seine Freude an den neuen Konstellationen, er verfolgte mit einer Art von Z?rtlichkeit die weitere innige Verflechtung der F?den, die er selbst neben einander gelegt hatte und die jetzt ohne ihn lustig und oft mit einer in seinem Ansto? gar nicht zu ahnenden Bedeutsamkeit sich fortspannen. Zu vielen tiefgreifenden Beziehungen legte er so den Grund, nur selten tat er einen Mi?griff. Kein Wunder, da? ihn Liebe und Begeisterung der ganzen Gruppe, die er so hübsch organisiert hatte, umgab. Selbst der spitzige vielüberlegende Grünbaum, der jede k?rperliche Berührung mit Menschen scheute, drückte ihm w?rmer die Hand. Alle fühlten, wenn auch undeutlich, da? die zartgebauten Wurzeln ihres Daseins aus den str?menden übervollen B?chen dieses Verschwenders immer neue Bew?sserung zogen und da? dabei gar kein Schwindel oder eine Willkürlichkeit Arnolds mitspielte; da? vielmehr dies alles nach Naturgesetzen so geschehn mu?te – und gerade dieses Unbedingte, Automatische, Gesetzm??ige war die Ursache, aus der man ihm vertraute, ihm doppelt verpflichtet war ... An seinem Geburtstage empfing er nun auch glühende Briefe sonst ruhiger Genossen, Danksagungen in klugen, nicht allt?glichen Worten, selbst Geschenke, und wiewohl er selbst sich der Repr?sentation so au?ergew?hnlicher Beliebtheit nicht ohne Würde und Rührung unterzog, sagte er sich doch auch manchmal, da? es eigentlich komisch sei, wie selbstverst?ndlich er diese Opfergaben, den Tribut gleichsam, einkassierte. Er selbst schenkte keinem seiner Freunde etwas zum Geburtstage; das fiel ihm auf, die andern schienen es selbstverst?ndlich zu finden. Es beunruhigte ihn ... überhaupt wurde ihm, wenn er einmal allein mit sich zu Rate ging, nicht wohl nach all dem metallischen Get?se rings um ihn. Kam er zur Ruhe, so fand er, da? er eigentlich nichts zu Ende führte und nichts ganz von vorne begann. Eine beklemmende Traurigkeit legte sich auf seine Lunge. Was interessierte ihn eigentlich? Was wollte er auf der Welt? Was hatte er geleistet? Da? er der Gschaftlhuber nicht war, als den ihn Mi?günstige gern ausgeschrieen h?tten, fühlte er sehr wohl. Seiner Redlichkeit und einer gewissen Tüchtigkeit im Kern blieb er sich ja stets bewu?t. Aber mindestens ebensoweit wie vom Gschaftlhuber war der Abstand zu der ?modernen Goethenatur?, für die ihn manche Anh?nger aus ehrlicher überzeugung hielten. War er allein, so fühlte er sehr wohl, da? er nicht Goethe war, nicht die in sich ruhende und daher so wirksame Vollkommenheit. Was war er also eigentlich?... Nun, eben der Arnold Beer, ein einmaliges Individuum, so und so eingerichtet, mit den und den Fehlern und Vorzügen, die man noch n?her studieren, entwickeln mu?te. Also mit Vorzügen auch – heraus damit!... Er dachte nach ... Ihm fiel nichts ein ... Mit warmem Kopf rutschte er vom Diwan zum Schreibtischsessel, vom Schreibtischsessel zum Diwan, und vergebens suchte er, w?hrend sein Blick über die D?cher hin in den fernen Himmel, in die rotgl?nzenden Wolkenkelche einschlüpfte, beim Anblick dieser leuchtenden Gebilde auch nur einen jener befeuernden und frischen Einf?lle selbst zu empfinden, wie er sie am Nachmittag seinen Freunden zu Tausenden um die K?pfe geschlagen hatte ... Ja, wenn er neben ihnen ging, neben L?b zum Beispiel ins Kolleg, oder neben Eisig in der Weinstube sa?, dann konnte er sich die Wonnen der gedankenreichen Einsamkeit wohl vorstellen. Einsamkeit – wie eine Fata Morgana schwebte sie vor ihm, eine Stadt mit flachen quadratischen D?chern, alle menschenleer, doch alle wohnlich eingerichtet mit kleinen rauschenden Springbrunnen, seidenen grünen Kissen am Gel?nder, sü?en Speisen und Limonaden in elfenbeinernen K?stchen. Und Arnold stieg von Dach zu Dach, auf kleinen Leitern, ruhte hier und dort aus, sah über die Treppen hinunter in Wohnungen, in denen Stimmen klangen, freute sich – o Einsamkeit – über die Stra?en und Bazare unten, lebendiges Wimmeln, die gro?e Aussicht in den Abendhimmel ... So vertieft war er in dieses Bild, da? er die Reden des Gef?hrten nicht mehr h?rte, und verriet sich eine von ihnen durch die erhobene Stimme als Frage, so mu?te er geschwind die letzten Worte, die der andere gesprochen hatte, aus seinem unbewu?ten Ged?chtnis, in dem sie eben beinahe verschwanden, zurückholen, um irgend etwas Kleines erwidern zu k?nnen. O wie wünschte er da den St?rer seiner Einsamkeit hinweg, wie h?tten, ohne den, diese B?ume oder dieser Wohlgeschmack eines franz?sischen Weins zu seinem treuen, auf sich allein gefüllten Herzen gesprochen! War er aber wirklich einsam, so wurde ihm sofort bang und verlassen zu Mute. Die Gestalten dieser fühllosen unüberwindlichen Natur, die Blumen und Gr?ser, erschreckten ihn durch ihre rohe Gesundheit, die er nicht tr?sten und nicht anfeuern konnte, in der es keine Bravourstückchen gab; einsames Trinken gar erschien ihm langweilig und tierisch ... Also lief er schnell wieder unter die Menschen, mit denen man reden konnte, begann dies und jenes in seiner intensiven, aber kurzatmigen Art und brachte sich auch wirklich, wenn er die Zahl der von ihm bepflügten Gebiete überblickte, seine Jugend, seine Pl?ne, nach allen Richtungen ausstrahlend, seine halbausgeführten Werke, seine Talente, seine Hoffnungen und die Hoffnungen, die seine Freunde auf ihn setzten, in einen sch?nen Rausch von Selbstzufriedenheit. – Klagte er einmal, in einer kleinen Erinnerung an seine einsamen Prüfungsstunden, den Freunden, da? seine Seele so zerrissen sei, so lachte man ihn immer aber mit der allergr??ten Entschiedenheit aus: ?Du unglücklich? Und was soll ich dann sagen? Du machst das und das. Und ganz vergi?t Du an das und das. Solche Erfolge! So eine Arbeitskraft, das ist ja etwas ganz Abnormales! Und du wirst dich noch beklagen! Das w?re aber eine Frechheit ...? Man ahmte die Art seiner gutgemeinten Scheltreden nach. Er aber wandte sich, mit einer kleinen Tr?ne im Auge, ab: ?Ich k?nnte ja etwas leisten, wenn ich nur Zeit h?tte.?

Da? er keine Zeit hatte, war eigentlich für Fernerstehende das hervorstechendste Merkmal seines Lebens. Und meist befand ja auch er selbst sich, dank seiner fortrei?enden Strudeleien, in der Lage dieser Fernerstehenden. Dann fiel ihm auf, da? er sich zu viel aufgebürdet hatte; an einem Tage ein Rudermatch, vier Vorlesungsstunden, Besuch bei zwei Freunden, bei einer Familie Tee, Klavierüben, und dazu die vielen angefangenen Bücher mit winkenden Lesezeichen auf dem Schreibtischregale, das ging entschieden über Menschenkraft. Und da ja die meisten dieser Verpflichtungen in langvergangene Zeit zurückreichten, zu denen er sprunghaft immer wieder zurückkehrte, ohne sie je durch Beendigung loszuwerden, wurde er sich immer nur bewu?t, da? er Verpflichtungen zurückwies, nur selten neue aufnahm. Also erschien er sich als armer Verfolgter, Begehrter, Bedr?ngter, verga? bald den eigenen Leichtsinn, mit dem er sich nach einander auf so verschiedene Dinge gestürzt hatte, und begann einen geheimen Groll gegen seine Freunde insgesamt zu n?hren, die ihn in Anspruch nahmen und ausnützten, ja ausnützten und zu keiner eigenen Arbeit kommen lie?en. Was half es, da? er stets einen Zettel bei sich trug, mit den wichtigsten Pflichten für die n?chsten Tage, da? er ein Tagebuch begann, in das er die Dinge schrieb, um sie keinem Freund erz?hlen zu müssen und um also auf diesem Wege einen Verkehr mit sich selbst anzubahnen, was halfen alle Anstrengungen, Ordnung in sein so hinausgestreutes Leben zu bringen ... Und grimmig ging er die Schw?chen seiner Freunde durch, die sie an ihn fesselten, die Blutarmut Waldesaus, die diesen melancholisch machte und auf lindernden Zuspruch angewiesen, die Armut Krauses, die ihm den Verkehr mit Arnold als mit dem gesellschaftlich H?heren unentbehrlich erscheinen lie?, die Dummheit Bobenheims, der, durch den intelligenten Umgang geschmeichelt, zu einiger Selbstachtung gekommen war, w?hrend er sich vordem nur als einen ?trostlosen Wüstling? gekannt hatte. Und er verfluchte sein gutes Herz, das ihn aus Mitleid an diese fehlerhaften Menschen klemmte. Zugleich war er erbost über seine grübelnde Scharfsichtigkeit, seine Lieblosigkeit gegen so gut verhüllte Schw?chen der Freunde. In einem allgemeinen Katzenjammer fand er dieses Leben erb?rmlich, nicht l?nger zu ertragen. War dies gemeines Menschenlos, oder nur vielleicht typisches Schicksal eines jungen Juden? So weit hatten ihn Krauses Ideen schon beeinflu?t, da? er dies in Erw?gung zog. Schlie?lich aber blieb er, ohne Zusammenhang mit Gott, oder mit irgend einem Volk, in der zusammenschlagenden Dunkelheit allein, von allen Teilnehmenden verlassen, verzweifelnd und unsympathisch ... Da traf er den n?chsten auf der Gasse. Sofort heiterte sich sein Antlitz auf, sein Herz zugleich, er fand schnell wieder die freundlichen Worte, die Fragen voll Interesse und Ermunterung, und dabei war dies durchaus keine Heuchelei, sondern die blo?e Gegenwart des Freundes eben bewirkte in ihm jene schnellere Zirkulation von Ideen, die ihn sprudelnd auf Flammenpfeilen in die H?he scho? und ihm den Zusammenhang mit einer glücklichen Menschheit und ihrem wohlwollenden Wirken zurückgab ... Am w?rmsten aber wurde es ihm, wenn er mit Lambert und Genossen (dies war wieder eine andere Partei besonders eleganter internationaler Nichtstuer, die aus unbekannten Mitteln gl?nzend in den Tag lebten) auf dem Corso erscheinen konnte, auf dem Bummel, den diese Herren nie vers?umten, mit ihren siegesgewissen Mienen, ihrem arroganten Hütelüpfen. Auch bei ihnen war Arnold beliebt, durch seine schussige Munterkeit und Originalit?t, und obwohl er weder der fescheste noch der witzigste unter ihnen war, r?umte man ihm gern eine beherrschende Stellung ein. Wenn es nur anging, machte er sich t?glich eine Abendstunde dafür frei, und dies nannte er seine Erholung, mitten in einer dunklen Schar befreundeter K?pfe sich geschützt und gemütlich zu fühlen, wie in einer Herde auf- und abzurollen die Gasse entlang, gesto?en werden, stehen bleiben und ungerührt in die Vorbeigehenden starren wie in die beleuchteten Auslagen, durch lustiges Flüstern und Blicken fest mit der Genossenschaft verbunden, beinahe bewu?tlos. –

Und gar wenn er sich niedersetzte und Briefe an seine Freunde aller Heerlager schrieb, in die Ferien hinaus zu Dutzenden! Denn das liebte er, diese Bulletins waren wieder eine Sache, in der er sein ganzes Orkantemperament austoben lassen konnte. So wie es Leute gibt, denen alle Sorgen einfallen, wenn sie einen Brief schreiben und deren Briefe daher ein wesentlich zu trauriges Abbild ihrer Situation geben: so wurde im Gegenteil vor Arnolds Blick, wenn er ihn auf das wei?e geradebegrenzte Papier richtete, alles rosig und in gute Linien gekl?rt. Ihm war Briefeschreiben eine gesteigerte Form menschlicher Unterhaltung und alle seine Vorzüge flossen ihm willig in die Feder, ein Goldglanz ohne irdische Schwere, wenn er seine strammen, beinahe milit?rischen Loblieder auf das, was ihn gerade erregte, loslie?. Gern beschrieb er Kunstgenüsse oder gefiel sich in rückhaltslosen Offenheiten oder schwelgte in gigantischen Vors?tzen, zu deren Ausführung es Jahre ernsthafter Arbeit bedurft h?tte, in seinem feurigsten Stil, tat sie damit gleichsam für sich ab, obwohl er sich w?hrend des Schreibens gar nicht bewu?t war, da? er sie nie werde in Taten verwandeln k?nnen, da? gerade dieser Brief als Energieableiter zwischen Plan und Ausführung trat. Nein, die Wahrheit selbst, hinrei?ende Tatkraft und ansteckend gute Laune sprachen aus solchen Episteln, die unmittelbar, ohne zu überlegen, mit allen Quersprüngen und den schlechtesten Witzen, die ihm gerade einfielen, hingerissen waren; und so verfehlten sie natürlich nicht, seine Freunde zu rühren und zu neuem Schaffen anzustacheln, w?hrend Arnold mit ausgesch?pftem trockenem Herzen zurückblieb. überdies schwankten diese Ergüsse in ihrer L?nge von der drei?igseitigen Dissertation, deren Erscheinen schon im Kuvert beim Adressaten Erstaunen und ehrfürchtige Schauer hervorrief, bis zum kurzen Zettel voll mit Gedankenstrichen, Rufzeichen, humoristischen Symbolen, verschiedenen Buchstabengr??en und Schriftarten, kurz allen Mitteln einer aufs H?chste gesteigerten Anschaulichkeit, wie sie aus seinem Hitzkopf explodierte. Die Schrift hatte pomphafte Schn?rkel, gro?e B?uche, starke Schatten und weit auseinandergezogene Haarstriche, so da? manchmal ein etwas l?ngeres Wort eine ganze Zeile einnahm. – Hier eine der unbedeutenderen Noten an Waldesau:

?Lieber Kerl,

Ich bin durch ununterbrochenes BACH-Spielen in den letzten Wochen endlich dahintergekommen, da? ich – ein Sch?ps bin, wenn ich nicht – endlich einmal – und zwar soforrrrrrt – die ganze Musiktheorie gründlich durchnehme!! Mein Buchh?ndler bietet mir ein gro?es Werk zum Selbstunterricht, solche Hefte, wei?t Du – mit hübschen Fragen und Antworten – Ermahnungen an den faulen Schüler u. s. f. – bi?l kindisch, aber es gef?llt mir vor-Leipzig – 60 Hefte, 50 Mark (!!!!) – Soll ich es kaufen. Bitte, schreibe soforrrrrt, genau und viel, empfiehl anderes! Ich mu? ALLES haben, das ganze Gebiet – also Elementarlehre, Generalba?, Formen – Du wei?t ja – ich hab es satt, so ungebildet weiterzutrotteln – Also, auf, sattle den Hippogryphen, schicke mir Pl?ne – auch Instrumentation natürlich – Wenn schon, denn schon – Ich habe jetzt riesige Lust. Also schreib nur schnell, damit das Feuer net auskühlt, Du kennst doch – Deinen Dichliebenden u. s. f. – Momentan fühle ich mich so stark, da? ich Berge bewegen k?nnte. Und Du auf Deinem Jeschkenberg? (Ein gebirgiger Brief!) – Ich arbeite t?glich 9 Stunden, kann Abends nie einschlafen vor Ideen. Habe etwas merkwürdiges angefangen, eine neue Art von Kontrapunkt. Sei neugierig! Es steht dafür – Schrecklich glücklich bin ich dabei. Und Du? Und Du? Und Du? – Wieder mal die Flinte ins Korn geworfen? Porco maledetto! Wenn jetzt nicht bald mal eine fette Notensendung (Manuskript!!) von Dir kommt, so treffe ich Dich wie der Blitz – der immer die Nabelbeschauer trifft – wo? Im Popo – weil sie so gebückt sitzen. Aber Spa? bei Seite: Was treibst Du – Ich bin sehr besorgt. – Servus!?

Ein Bildchen, die rauchende Jagdflinte, vervollst?ndigte diesen auf einer halbzerrissenen Kuvert-Innenseite in schr?gen Zeilen hingedonnerten Aufruf. Darunter eine Wolke, aus der zwei zackige Blitze schlagen; alles mit der Feder gekritzelt, beim Abtrocknen etwas verwischt ...

Gottfried Eisig, der inzwischen (man mu?te doch etwas machen) in die Redaktion eines heimatlichen Blattes eingetreten war, munterte nach solch einem Brief Arnold auf, doch einmal etwas ?Selbstst?ndiges? zu schreiben. Arnold brachte ein paar ?Reisebriefe.? Sie wurden gedruckt, ohne aber besonderes Aufsehn zu erregen, au?er in Arnolds n?chster Umgebung; übrigens waren sie auch, da ihnen der pers?nliche Anla? fehlte, ziemlich matt, ja schablonenhaft ausgefallen.

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