urde, nannte man ihn den Eleganten. ?Aha, da kommt das Gigerl?, – oder ?Die Parta ist da. Ich erkl?re den Bummel für er?ffnet?, hie? es am Abend auf dem Korso, wenn in den Reihen der g
?ngel hinzuweisen und sich selbst auszulachen, um desto sicherer alle, die über ihn erschraken, auslachen zu k?nnen. Er nannte sich – denn er hielt für alles Worte bereit und hatte besonders über seine so fragwürdige Wesensart schon oft und unter Schmerzen nachgegrübelt – ?eine typische Fernwirkung? und hob hervor, da? er diese ?gute Sache? seiner schlanken Gestalt, seinem vorzüglichen blassen Teint und seinen feinen H?nden verdanke, lauter Dingen, ?für die er natürlich gar nichts k?nne?, wie er in einem Anflug pessimistischer und unklarer Philosophie hinzuzusetzen pflegte. Dann versank er, noch anschlie?end, über das Thema ?Kleider machen Leute? in ausgedehnte trübe Betrachtungen. ?Ja, meine Eltern haben das Geld dazu, mein Papa ist eine gute alte Firma. Also gelange ich, wie von selbst, an den ersten Schneider der Stadt, und der macht mir R?cke und Hosen, ohne da? ich ihn darum bitten m
te übung ja in unmittelbarem Zusammenhang mit der eben gelesenen anschlo?, w?re wohl auch ein anderer Schüler geneigt und vielleicht kouragiert genug gewesen, mit dem Herrn Lehrer sich in einen n?heren, gleichsam kameradschaftlichen Zusammenhang durch eine solche h?fliche Frage nach dessen weiterer Absicht zu setzen statt mechanisch einfach die leere Zeile zu überspringen und sich im Text als armseliger Lernknabe fortzuhaspeln. Einen Pfiffigen gar wie Arnold mu?te die Situation reizen, und es soll nicht verschwiegen werden, da? er sich schon oft genug mit aller Sehnsucht in sie hineingewünscht hatte, als in die einzige, wo er einmal dem hochverehrten Herrn Lehrer ebenbürtig, sozusagen als Mensch, gegenübertreten k?nnte, da? er oft im voraus die Zeilen abzuz?hlen pflegte, um herauszubringen, ob diesmal, nach der Sitzordnung, bei der entscheidenden übergangsstelle die Reihe an ihn kommen würde. Und nun war der Moment da und Arnold hatte mit Anstand und stolzer Gefa?theit, vollkommen richtig, seine oft vorbereiteten Worte herausgesungen, hatte sich ausgezeichnet ... mit diesem traurigen Erfolg leider. Er weinte die ganze Stunde lang, denn er war sehr ehrgeizig. Und als die liebe Mama sorgf?ltig um elf Uhr ihn abholen kam und ihm das Schult?schchen abnahm, weinte er wieder, kaum beruhigt, und erz?hlte alles. Nun mu?te er gar noch in das sch?ne verehrte Papiergesch?ft eintreten, wo er sonst nur die ausges
schau ...? auf den Spazierg?ngen zum Schweigen zu bringen. Niemand wollte mit ihm ausgehn, denn er war gefürchtet wegen seiner unaufh?rlichen bohrenden Fragen, die sich mit keinerlei Ausweichen abstellen lie?en. Eine Gouvernante nahm ausdrücklich deshalb ihren Abschied. Und noch in s
e ihm auch mehr als ein Buch geborgt. Und so rasch ging der Vater dabei vor, milit?risch mit Wunsch und Ausführung, Hinzeigen und Herausnehmen, da? manchmal ein Fingerlein oder die Nase des in all die Pracht versunkenen Knaben Gefahr lief, an der Kante der wieder zuklappenden Türe eingeklemmt zu werden. Allm?hlich kam er daher auf Listen; er sagte um ?Kleist? und zeigte dabei auf die oberste Reihe, obwohl er gut wu?te, da? die Kleist-B?nde rechts unten aufmarschiert waren. Aber in der Zwischenzeit, w?hrend der Vater vergeblich oben kramte, hatte er Zeit, einen überblick über andere nie gesehene Partien des gro?en Büchergartens zu erwischen. Oft allerdings nützte alles nichts, und er sah sich mit einem Buch, das er nur des fremden Titels oder des hübschen Einbandes wegen gew?hlt hatte und das ihn bei n?herem Durchbl?ttern gar nicht interessierte, entt?uscht und leer vor den wieder gesperrten Kasten gestellt, in einen steinigen leeren Nachmittag verschlagen wie ein Schiffbrüchiger auf eine ?de Insel, wo der ersten Freude des Gerettetseins eine umfassendere Angst vor der Zukunft folgen mu?. Denn niemals nahm der Papa ein schon herausgegebenes Buch noch an demselben Tag zurück, das war eherne Regel ... Im Verlauf der Zeit nun las Arnold alles, von der Bibel und Goethe an bis zu dicken staubigen Lieferungsromanen wie ?Die Geheimnisse der Bastille?, die noch uneingebunden in den untersten Schubl?den lagen. Sein Kopf füllte sich mit den Gestalten Schillers und Heines, mit den Kreuzfahrern und Schillschen Offizieren der Weltgeschichte, mit Lokomotiven aller Konstruktionen aus einer vielb?n
über, da? Arnold keine Zeile mehr au?er den Schulaufgaben zur Hand nahm. Auf vielfaches Jammern und als sich die Folgen der Langweile in seiner gesteigerten Wildheit zu zeigen begannen (er stach der K?chin mit ihrer Hutnadel den Daumen durch), wurde ihm endlich jeder dritte Tag als Lesetag einger?umt ... Arnold erinnerte sich überdies sp?ter oft mit Vergnügen daran, wie gro?en Eind
ganzen Welt zu dienen – und übersah er dann an einem der ersten Abende, da alle Quellen noch munter der neuen Sammlung zuflossen, seinen sauber geschlichteten Reichtum, so überfiel ihn ein beinahe schwindelndes Glück von Gr??e, Sch?nheit und Triumph, und der Wunsch, mit dem er einschlief, die Sammlung m?ge so weiter und weiter gedeihn, war um nichts weniger innig als das Nachtgebet ... Freilich nahm sein Interesse bald ab, wenn in seiner N?he keine neuen H?hlen mehr zu sprengen waren, in denen schon gro?e Haufen der gewünschten Dinge wie vorbereitet dalagen und auf ihn warteten; wenn es galt, nun ein Stück ums andere mühsam heranzulocken. Dann wurde die Sammlung aus den Kasten ins Dunkle gestellt, halb vergessen, eine andere trat mit neuen Hoffnungen ans Licht. So ging es zwei Jahre lang, bis endlich sein Streben an einer Briefmarkensammlung h?ngen blieb und sich gewitterwolken?hnlich verdichtete, da hier nebst dem Reiz der Ausdehnung und Vollst?ndigkeit nun auch der des nicht mehr blo? kindischen Wertes in Aussicht gestellt wurde. Nun begann er in den Zehnuhrpausen zu ?tauschen?, nicht ohne Streit und Schwindel, nun wu?te er bald alle Wasserzeichen, Fehldrucke, Zahnungsunterschiede und Farbennüancen auswendig, niemand kam ihm darin gleich, ja sein stürmisches Interesse für alles, was mit Marken zusammenhing, ging so weit, da? er sogar den Fl?cheninhalt, die Hauptstadt und die Münzsorten jedes Landes wie dies in seinem Album angegeben war, schnell und genau erlernte. Mit seinem ?Senf? in der Tasche, den er stets sorgf?ltig nach der neuesten Ausgabe korrigiert hatte, galt er unter den Kollegen als Autorit?t, wurde in schwierigen F?llen befragt und entschied unwidersprochen. Und nur etwas unterschied ihn von einem kühlen Fachmann: w?hrend er die verlockendsten Stücke fremder Sammlungen nachsichtslos, von ?ngstlichen Blicken ungerührt, als ?falsch? oder ?Neudruck? verurteilte, konnte er selbst sich von den F?lschungen, die ihm geh?rten und die er als solche l?ngst erkannt hatte, in einer seltsamen grundlosen Z?rtlichkeit nicht trennen. Er glich da dem glühenden Liebhaber, der seine Leidenschaft nicht bezwingen kann, obwohl er die triftigsten Gründe hat, von dem Unwert des geliebten Gegenstandes überzeugt zu sein. So besa? Arnold, beispielsweise, eine alte Schweiz ?mit der sitzenden Helvetia? – nachgemacht, ganz plump nachgemacht. ?Ich wei? ja, da? sie falsch ist? pflegte er zu sagen und sah die Marke mit stillverliebten, unendlich traurigen Blicken an, ?aber ich la? sie doch drin, sie schadet ja doch nichts?, w?hrend er einen Kameraden in gleichem Fall unfehlbar mit den Worten: ?So ein Stück ist eine Schmach für jedes anst?ndige Album? ausgescholten h?tte ... Ja es gab sogar Zeiten, allerdings nur zu Anfang der Markenperiode, in denen Arnold selbst f?lschte, sich selbst betrog, indem er aus einem alten Album einfach die vorgedruckten Markenbilder, sofern sie mit ?grau? oder ?schwarz? bezeichnet waren, ausschnitt und als wirkliche Marken in sein Album einklebte. Davon lie? er bald, konnte aber von den einmal gewonnenen Exemplaren auch in der Folge nicht Abschied nehmen, in einer ganz unbestimmten, sinnlosen Hoffnung, wie
zu bleiben, recht ausführlich und immer verwickelter über sie zu reden, meinte er, seine Aufgabe aufs beste vollführt zu haben. Er glaubte n?mlich, auch in den sogenannten wissenschaftlichen Büchern einigemal bemerkt zu haben, da? das Erkl?ren nur in einem recht langen, mannigfachen und undurchsichtigen Brei bestehe, den man um die Dinge gie?e, und diese Regel bewahrte er als ein Schlauer, der nun dahintergekommen war und der sich von dem allgemeinen Vorgeben nicht mehr t?uschen lie?, wohl im Ged?chtnis. Wenn er aber an seine Kindheit zurückdachte und an die Mühe, die seine Erzieher angeblich mit seiner Wi?begierde gehabt, so lachte er sie noch nachtr?glich aus. Was für Kunststücke! Nur ein wenig Geistesgewandtheit geh?rte dazu und man hatte die ganze Welt in der Hand, wie ein Ausleger die Bibel. – So moralisierte er auch nicht schlecht, hatte Gedanken über den Staat, über Religion, Gott, Theater, Mode, gute und b?se Menschen. Darin vornehmlich war er Meister: wenn er ein Sprichwort irgendwo oder einen Satz aufgegabelt hatte, diesen zum Motto langer Er?rterungen zu nehmen, best?ndig in neuer und überraschender Form zu wiederholen, hin- und herzuschrauben, so da? ohne viel inneres Wissen ein verwunderliches farbenreiches Get?n und Hohlwerk aus gro?artigen Worten entstand. – Widersprach ihm jemand, so kam ihm das gerade recht, denn nun konnte er gar erst mit aller Kraft losbrechen, an die fremden Worte wie an K?hne sich anklammern und sich von ihnen durch das Wasser obenauf mitschleppen lassen. Ganz naiv munterte er auch manchmal solche, die ihm dazu geeignet schienen, auf: ?Du, komm, debattier ein bi?l mit mir.? Und das war ein Herumirren in den Stra?en, ein Begleiten hin und zurück, die Gasse hinunter und nochmals hinauf bis zur Ecke, ehe er nach so einem Schulweg endlich zu Hause anlangte. Gew?hnlich war es eine ganze Gruppe von Burschen, jeder seinen Pack Bücher lose unter dem Arm (denn Riemen oder gar Schutzleder waren als unm?nnlich und schülerhaft l?ngst verworfen), Arnold immer in der Mitte, neben ihm die Bevorzugten, die auch schon etwas verstanden, und an den Seiten unbedeutende Flügelm?nner, die sich abwechselnd immer wieder bis zum Zentrum der Gruppe durchzuquetschen suchten, immer um die Mittleren mit unbeachteten Fragen und unbegehrten Antworten herumtanzten und immer wieder, wie nach einem Naturgesetz, an die kühlen ?u?eren Enden der Reihe gedr?ngt wurden, wo sie
ein wenig, daher war es dem lebhaften Arnold leicht m?glich, ihm geschickt in die Rede zu schnellen, w?hrend er selbst in seinem Hinstürmen nie unterbrochen werden konnte. Arnold schien ihn f?rmlich mit seiner Zunge zu regieren, sowie er auch mit den H?nden oft durch einen kleinen starken Ruck dem gro?en, aber haltlos wankenden K?rper des Freundes schnell die richtige Wendung gab, um ihn auf irgend eine flüchtige Erscheinung aufmerksam zu machen oder um ihn in die gewünschte Gasse einzubiegen. Und dieses angenehme Gefühl des sofortigen Befolgtwerdens, der Ungehemmtheit, das er übrigens nicht durchschaute – so natürlich und triebhaft entstr?mten ihm die Befehle – verschmolz ihm in eins mit den z?rtlichen Aufwallungen der ersten Zuneigung, mit den Geheimnissen, die die beiden einander mitteilten, mit dem erhabenen Beispiel von Orest und Pylades, das ihn seit jeher begeistert hatte. Er fühlte sich zu jeder Heldentat bereit, h?tte gern stoisch Folterungen ausgehalten, um den andern in nichts zu verraten. Abends gingen sie manchmal, eingeschlossener trotz der ungleichen Statur und mit seltsam gezwungenem Schritthalten, auf den Feldern drau?en vor der Stadt spazieren, sie starrten in die Sonne oder vom reinlichen Quai hinab in den gro?en tiefen Flu?, dann sprachen sie wieder etwas, und obwohl es nur ein Witz oder Schultratsch war, kam oft eine ahnungsvolle Verworrenheit in ihre Worte, wie Wind in die Seiten einer ?olsharfe, und solche Innigkeit verkl?rte noch ihr geringstes Gespr?ch, da? Arnold nicht selten die Tr?nen in seinen Augen aufsteigen fühlte. Dann wischte er sie mit dem Rock?rmel ab, w?hrend der Dicke in feinfühligem Verst?ndnis sich
ruhn; andere hielten ihre Hefte oder Bücher dem Lichte zu, als h?tten sie unten nicht Licht genug für ihre Arbeit; manche kratzten sich, wie geistesabwesend, verlegen in den Haaren. Unbemerkt standen nun andere wieder auf, immer mehr, bis entsetzt der Professor pl?tzlich die ganze niegesehene Ver?nderung r?tselhaft aufgestellter, gleichsam gespensterhafter Schülerreihen vor sich hatte. – Oder er gab das ?B?nkerücken? an; langsam schoben die in der ersten Bank ihre Sitze vor, die n?chsten folgten, m?glichst ohne Ger?usch, nur ein kleines Knarren oder Seufzen des Holzes manchmal, angestrengt arbeitete die ganze Klasse dem gemeinsamen tückischen Ziel entgegen, keiner pa?te auf den Homer auf, den der Professor wie über aller K?pfe und Ohren hinweg in die Luft vortrug, – und schlie?lich erschreckte den nichtsahnenden Feind wieder ein so ungewohnter Anblick, als er vom Katheder herabsteigen wollte und keinen Zwischenraum wie sonst zwischen dem Podium und der ersten Bank vorfand, da die B?nke bis an die Erh?hung, wie Belagerer, vorgerückt standen. Und alle machten ein m?glichst unschuldiges dummes Gesicht dazu, ja sie schienen nicht einmal etwas Auffallendes zu bemerken, so da? sein Blick ratlos an ihren kalten teuflischen Gesichtern hin wanderte. – Oder die Derbsten in den letzten Flegelb?nken rauchten gar – auf Arnolds Anreiz –, verborgen hinter Büchern, bliesen den Rauch in ihre Hüte, die sie immer wieder sorgf?ltig umklappten
ie nur wünschten, in Verschwendung, sie hatten, au?er dem besonders auffallenden Billard, in ihrer Wohnung eine Laterna magica, ein herrliches Puppentheater mit zahllosen Kulissen, Turnger?te, s?mtliche B?nde von Jules Verne, Gerst?cker und Karl May, und überdies durften sie nach Herzenslust alles zerrei?en, verborgen und verbrauchen, wobei ihre lustigen Eltern noch spitzbübisch mitlachten, w?hrend bei Beers alles abgezirkelt und wie am Schnürchen gehn mu?te. Schon da? die Eisigsjungen fünf waren und so mannigfache Talente – einer konnte Karikaturen zeichnen, einer photographierte, einer konnte mit dem Mund das Ger?usch einer S?ge nachmachen u. s. f. –, mu?te dem einzigen Sohn Arnold imponieren. Welche Kombinationen gab es da, welche von altersher eingelebten Scherze und Neckereien, welche Wirkungen vereint und gegeneinander, und wieviel Gerümpel und altes Spielzeug, da jeder von den ersten Jahren an seine eigenen Sachen hatte! Besonders aber fand Arnold an dem ?ltesten Gefallen, an dem Herrn Gottfried, der allerdings, wie er sic
le Halbkugel aus ihm, einen Klumpen und in diesen überrest stie? man eifrig, trug ihn mehr auf der Fu?spitze als man ihn warf, verzichtete auf jede Elastizit?t, auf den Fernkampf, so da? das Spiel endlich in Nahkampf d. h. in eine Prügelei ausartete ... Primitiv wie der Ball war auch das Goal eingerichtet, zwischen zwei B?umen, die man durch eine mit dem Stiefelabsatz gezogene Linie im Sand verband. Fehlten die B?ume, so legte man Kleider in zwei Bündeln auf die Erde und bestimmte die Linie zwischen ihnen als Goal, wobei dann allerdings die Streitfrage entstand, ob es als Goal zu betrachten sei, wenn der Ball über die Kleiderbündel fliege oder sie streife. Man nannte das ?Stange?, denn die R?cke vertraten ja die Goalstangen, und bel?stigte nun die ?lteren Spieler, sogar die Sportzeitungen mit diesem Problem. Und nun gar, wenn es immer dunkler wurde, wer konnte noch entscheiden, ob ein Schu? richtig getroffen hatte oder nicht! Man spielte einfach in die Nacht hinein, erstickend, keuchend, man bewegte sich, es galt auszugleichen oder den Sieg zu entscheiden, in h?chster Spannung und Anstrengung – und dabei mu?te man sich zurückhalten, durfte nicht schrein, nicht anfeuern und jauchzen, alles mu?te lautlos vor sich gehn, sonst h?tte man sich dem W?chter verraten. Erst bei v?lliger Finsternis h?rte man auf. Die Feinde und Freunde hinkten nach Hause, hungrig, durstig, zerschunden – das aber fühlten sie nicht – nein für Arnold, wie für alle, lag ein sü?er Zusammenhang zwischen ihrer Abgeschlagenheit, dem Schwei?, den Schuhtritten, die sie an ihren Waden schmerzten, an den Schienbeinen, l?ngs derer vielleicht ein gegnerischer Schuhabsatz herabgeglitten war oder sich eingehackt hatte, da? innen die Sehnen brummten, zwischen all dem und dem sü?en Fliederduft des Parkes, dem n?chtlichen Blühn und einem leisen, eben entschlafenden Vogelgezwitscher – o ein Zusammenhang, in dem diese Knaben st?rker als jemals ihre Jugend und die heldenmütige Kraft des Blutes und eine sich weitende Freude spürten bis an das schwarze Himmelsgew?lbe hinauf. Sie marschierten in die Gassen hinein, sie fürchteten sich nicht vor den Eltern, nicht vor der morgigen Schularbeit, sie summten ein Lied. – So weit stand die Sache, als Arnold mit Eisigs n?her bekannt wurde. Damit erhielt er pl?tzlich, nach all den dilettantischen Versuchen, Anteil an einem Fu?ball, an einem wirklichen englischen Fu?ball, der seine hohe Verehrungswürdigkeit schon dadurch bekundete, da? er wie ein belebtes Wesen eine ?Seele? besa?. Nun überstieg die Fu?ballbegeisterung alle Grenzen. T?glich nach der Schule zogen die fünf Eisigs mit Arnold auf die Wiesen, drei gegen drei teilten sie sich dort und los gings. Nicht genug damit, man übte auch in der kurzen Zeit zwischen Vormittags- und Nachmittagsunterricht, und da war der gro?e Hof im Eisigschen Haus der geeignetste Platz dazu, dieser Hof mit seinen Kisten, Handkarren, Holzschuppen, alten B?umen, Kellertüren, dieser Hof in glühender Mittagssonne. Nichts konnte die Passionierten abhalten, nicht, da? der Hof gepflastert war und daher jedes Hinstürzen hart spüren lie?, auch nicht da? der Ball einmal bei einem Hochkick ein Fenster im ersten Stock zerschmetterte, was zu gro?en Mi?helligkeiten zwischen Papa Eisig und seinem Mieter führte. Es wurde nur einfach ausgemacht, von nun an keine Hochkicks mehr zu machen. Und unverdrossen kroch man zwischen F?ssern durch, wenn der Ball sich zwischen sie verloren hatte, kletterte ihm nach durch die Fenster in die versperrten Keller und Schuppen, breitete sich immer weiter aus, spielte bei Regenwetter im Vorzimmer der Wohnung,
on Gef?hrten zur rechten und zur linken Seite bald in die ?gerichtliche Medizin?, bald zu ?Experimentalphysik? oder ?Sanskrit? oder den ?Versma?en des Horaz? ziehn. Er gewann zu ganz intimen Brüdern: L?b, den sachlich strebenden Bakteriologen, der zun?chst im Schul-Mikroskopieren, bald auch mit eigenen Ideen Geschicktes leistete – ferner den ruhigen kleinen Krause, der mit Jusstudium eine gründliche Erforschung des jüdischen Wesens und zionistische Propaganda verband. Arnold selbst trat einem deutschen Studentenverein bei und war dort eine Zeit lang der Vertraute des in politischen Dingen jugendlich-energischen und wohlvertrauten Technikers Grünbaum. Grünbaum nahm Malstunden, natürlich teilte sie Arnold mit ihm ... Das Seltsame nun bei diesen nach allen Seiten umsichgreifenden Beziehungen war, da? Arnold mit Sicherheit für jeden seiner Freunde den richtigen Ton traf, da? er niemals dem Waldesau, sondern immer nur dem eleganten Preisruderer Bobenheim unanst?ndige Witze erz?hlte, da? er mit Grünbaum ebenso schw?rmerisch von Rodin, wie mit L?b von ?Ehrlich 606? sprach, und wieder da? ihm Professor Ehrlich für L?b den gro?en Arzt und für Krause den gro?en Juden bedeutete ... Natürlich war er l?ngst klug geworden und hatte die schwadronierende Art seiner Gymnasiasten-Reden l?ngst aufgegeben; aber die pr?chtige und beflügelte Sprechweise, der str?mende Schwall von Ideen, der auch den H?rer in einen Zustand angenehmer Leichtigkeit versetzte, war geblieben. Hierzu gab nun sein wirklich übermenschlicher Eifer in allen Bestrebungen, der Mut, mit dem er immer seine ganze Person, seinen edelfunkelnden
?chtig, behielt immer die Einteilung ihrer ganzen Arbeit sicher im Kopf, wu?te, wie weit man neulich gekommen war, konnte durch Ausbessern kleiner Flüchtigkeitsfehler oder Dispositionsabweichungen seine Aufmerksamkeit wohltuend dem andern beweisen ... Natürlich war er nicht so unliebenswürdig, mit der Türe ins Haus zu fallen, sondern nahm auch an den Familienverh?ltnissen der Freunde einen Anteil, an ihren Liebschaften und Verdrie?lichkeiten. Immer aber wu?te er, ihre fortschreitenden Fachkenntnisse und die besondere Richtung ihres Denkens als das Wichtigste an ihnen und an ihrem Verkehr mit ihm zu behandeln, wie es ja seiner überzeugung entsprach, auf diese Facharbeit kam er nach jeder Einleitung zu sprechen, und da die Freunde bald merkten, da? aus ihrer Umgebung nur er stets und wirklich aus dem Herzen auf dem bestand, was sie selbst als das Edelste an sich, wenn auch manchmal als etwas Unbequemes, ansehn mu?ten, zogen sie ihn bald allen übrigen Kameraden vor. Zumindest hatte er eine Sonderstellung. Man plauschte mit ihm, aber es war kein leerer Zeitvertreib, es war eine Anspannung, seinem impulsiven Andrücken immer genügen zu k?nnen, man mu?te sein Bestes geben. Abschweifungen in andere Gebiete lehnte er ab, indem er sich pl?tzlich (und ebenso ehrlich wie vorher interessiert) uninteressiert verhielt. Solche Laienhaftigkeit schien er nur sich selbst vorbehalten zu haben ... Doch arbeitete er auch selbst, vertiefte sich manche Tage lang in irgend eine Frage, die ihm im Gespr?ch mit einem Freunde gekommen war, schrieb er ein paar Klavierstücke, einen ?Abri? einer neuen Werttheorie?, einen ?Entwurf zur Kritik Spinozas vom Standpunkte der Rasse aus? – lauter kleine Heftchen, vollgeschmiert mit flüchtigen, oft klecksartigen Schriftzeichen, Abkürzungen, Symbolen – und mit gro?em Vergnügen las er dann die noch unfertigen Darlegungen dem betreffenden Freunde vor, für den er eigentlich die Arbeit unternommen hatte. Das Vorlesen war n?mlich das Ziel der ganzen Arbeit; Arnold arbeitete mit Unlust und Ungeduld, unter tausend Ablenkungen, und was ihn w?hrend dieser Mühsale emporhielt, war nichts anderes als der Gedanke an die herannahende geisterfüllte Vorlesestunde. Und war sie da, dann erschütterte d
zu Ende führte und nichts ganz von vorne begann. Eine beklemmende Traurigkeit legte sich auf seine Lunge. Was interessierte ihn eigentlich? Was wollte er auf der Welt? Was hatte er geleistet? Da? er der Gschaftlhuber nicht war, als den ihn Mi?günstige gern ausgeschrieen h?tten, fühlte er sehr wohl. Seiner Redlichkeit und einer gewissen Tüchtigkeit im Kern blieb er sich ja stets bewu?t. Aber mindestens ebensoweit wie vom Gschaftlhuber war der Abstand zu der ?modernen Goethenatur?, für die ihn manche Anh?nger aus ehrlicher überzeugung hielten. War er allein, so fühlte er sehr wohl, da? er nicht Goethe war, nicht die in sich ruhende und daher so wirksame Vollkommenheit. Was war er also eigentlich?... Nun, eben der Arnold Beer, ein einmaliges Individuum, so und so eingerichtet, mit den und den Fehlern und Vorzügen, die man noch n?her studieren, entwickeln mu?te. Also mit Vorzügen auch – heraus damit!... Er dachte nach ... Ihm fiel nichts ein ... Mit warmem Kopf rutschte er vom Diwan zum Schreibtischsessel, vom Schreibtischsessel zum Diwan, und vergebens suchte er, w?hrend sein Blick über die D?cher hin in den fernen Himmel, in die rotgl?nzenden Wolkenkelche einschlüpfte, beim Anblick dieser leuchtenden Gebilde auch nur einen jener befeuernden und frischen Einf?lle selbst zu empfinden, wie er sie am Nachmittag seinen Freunden zu Tausenden um die K?pfe geschlagen hatte ... Ja, wenn er neben ihnen ging, neben L?b zum Beispiel ins Kolleg, oder neben Eisig in der Weinstube sa?, dann konnte er sich die Wonnen der gedankenreichen Einsamkeit wohl vorstellen. Einsamkeit – wie eine Fata Morgana schwebte sie vor ihm, eine Stadt mit flachen quadratischen D?chern, alle menschenleer, doch alle wohnlich eingerichtet mit kleinen rauschenden Springbrunnen, seidenen grünen Kissen am Gel?nder, sü?en Speisen und Limonaden in elfenbeinernen K?stchen. Und Arnold stieg von Dach zu Dach, auf kleinen Leitern, ruhte hier und dort aus, sah über die Treppen hinunter in Wohnungen, in denen Stimmen klangen, freute sich – o Einsamkeit – über die Stra?en und Basich selbst anzubahnen, was halfen alle Anstrengungen, Ordnung in sein so hinausgestreutes Leben zu bringen ... Und grimmig ging er die Schw?chen seiner Freunde durch, die sie an ihn fesselten, die Blutarmut Waldesaus, die diesen melancholisch machte und auf lindernden Zuspruch angewiesen, die Armut Krauses, die ihm den Verkehr mit Arnold als mit dem gesellschaftlich H?heren unentbehrlich erscheinen lie?, die Dummheit Bobenheims, der, durch den intelligenten Umgang geschmeichelt, zu einiger Selbstachtung gekommen war, w?hrend er sich vordem nur als einen ?trostlosen Wüstling? gekannt hatte. Und er verfluchte sein gutes Herz, das ihn aus Mitleid an diese fehlerhaften Menschen klemmte. Zugleich war er erbost über seine grübelnde Scharfsichtigkeit, seine Lieblosigkeit gegen so gut verhüllte Schw?chen der Freunde. In einem allgemeinen Katzenjammer fand er dieses Leben erb?rmlich, nicht l?nger zu ertragen. War dies gemeines Menschenlos, oder nur vielleicht typisches Schicksal eines jungen Juden? So weit hatten ihn Krauses Ideen schon beeinflu?t, da? er dies in Erw?gung zog. Schlie?lich aber blieb er, ohne Zusammenhang mit Gott, oder mit irgend einem Volk, in der zusammenschlagenden Dunkelheit allein, von allen Teilnehmenden verlassen, verzweifelnd und unsympathisch ... Da traf er den n?chsten auf der Gasse. Sofort heiterte sich sein Antlitz auf, sein Herz zugleich, er fand schne
er auf das, was ihn gerade erregte, loslie?. Gern beschrieb er Kunstgenüsse oder gefiel sich in rückhaltslosen Offenheiten oder schwelgte in gigantischen Vors?tzen, zu deren Ausführung es Jahre ernsthafter Arbeit bedurft h?tte, in seinem feurigsten Stil, tat sie damit gleichsam für sich ab, obwohl er sich w?hrend des Schreibens gar nicht bewu?t war, da? er sie nie werde in Taten verwandeln k?nnen, da? gerade dieser Brief als Energieableiter zwischen Plan und Ausführung trat. Nein, die Wahrheit selbst, hinrei?ende Tatkraft und ansteckend gute Laune sprachen aus solchen Episteln, die unmittelbar, ohne zu überlegen, mit allen Quersprüngen und den schlechtesten Witzen, die ihm gerade einfielen, hingerissen waren; und so verfehlten sie natürlich nicht, seine Fre
ber
l anderes! Ich mu? ALLES haben, das ganze Gebiet – also Elementarlehre, Generalba?, Formen – Du wei?t ja – ich hab es satt, so ungebildet weiterzutrotteln – Also, auf, sattle den Hippogryphen, schicke mir Pl?ne – auch Instrumentation natürlich – Wenn schon, denn schon – Ich habe jetzt riesige Lust. Also schreib nur schnell, damit das Feuer net auskühlt, Du kennst doch – Deinen Dichliebenden u. s. f. – Momentan fühle ich mich so stark, da? ich Berge bewegen k?nnte. Und Du auf Deinem Jeschkenberg? (Ein gebirgiger Brief!) – Ich arbeite t
vert-Innenseite in schr?gen Zeilen hingedonnerten Aufruf. Darunter eine Wolke, aus der zwei
Arnold auf, doch einmal etwas ?Selbstst?ndiges? zu schreiben. Arnold brachte ein paar ?Reisebriefe.? Sie wurden gedruckt, ohne aber besonderes Aufsehn zu